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Musikalische Winterfluchten 

 

Auditorio de Tenerife 

Hotelier trotzt erfolgreich dem Massentourismus

Ein Inselpionier mit Visionen

Der Beginn war alles andere als geradlinig: Feinmechanikerausbildung, kaufmännische Weiterbildung, Tätigkeit als Inhaber mehrerer Fotogeschäfte und nun seit mehr als 30 Jahren Inhaber des familiären Hotels Playa Sur Tenerife direkt am einzigen natürlichen Sandstrands Teneriffas.

„Als ich hierher kam, gab es in El Medano noch nichts, keinen Tourismus, auch keine touristischen Hochburgen in der Nähe wie z. B. Play de las Americas`, “ erzählt uns der heute 74jährige Bremer Heinz-Dieter Hünecke. „Los Cristianos war ein kleines Fischerdorf,  bestand aus einer Handvoll Hütten. Hier in El Me`dano gab es nur die Plaza, damals noch ungepflastert mit Sandboden,  ein paar Häuser und eine Fischerbucht.“

Hünecke blieb und setzte Schritt für Schritt mit bis heute großem persönlichen Einsatz und Enthusiasmus seine Ideen eines vielfältigen Individualtourismus um. „Mein Vorgänger Elias Ramos ist nicht zuletzt an der damals hier noch völlig fehlenden Infrastruktur gescheitert“, blickt Hünecke zurück.

Ramos ging nach Lanzarote und machte Hünecke dort mit dem berühmten spanischen Architekten Ce´sar Manrique bekannt. Der entwickelte in wenigen Tagen eine Gesamtkonzeption für den naturnahen Umbau des Hotels: Gärten, Vorplatz, Schwimmbecken - alles wurde natürlich-integrativ gestaltet, mit Steinen, Pflanzen und Materialen aus der unmittelbaren Umgebung. 

Kitesurfereldorado Teneriffa

Manrique blieb nicht der einzige berühmte Zeitgenosse, den Hünecke persönlich kennen und schätzen lernt. Der spanische König, Juan Carlos, half ihm, dem begeisterten Freizeit-Pianisten und  Liebhaber klassischer Musik die kanarischen Musikfestspiele zu initiieren. Mit dem norwegischen Natur- und Geschichtsforscher Thor Heyerdahl verband ihn bis zu dessen Tod  2002 eine enge Freundschaft.

Steinhaufen oder Pyramiden? – Forschung hautnah 

Parque Etnogra´fico Piramides de Gui´mar

Die Früchte dieser Verbindung kommen uns Besuchern bei unseren ersten Halbtagesexkursion in den „Parque Etnogra´fico Piramides de Gui´mar“ zugute, die Hünecke wie auch die folgende Ausflüge unseres einwöchigen Programms selbst begleitet. Erst Mitte der neunziger Jahre wurden diese Steinterrassen entdeckt, von denen man zunächst annahm,

Bauern hätten sie angelegt. Durch eine Veröffentlichung in einer Tageszeitung erfuhr Dr. Thor Heyerdahl von dem Fund. Der Anthropologe, der zum damaligen Zeitpunkt bereits durch seine transozeanischen Expeditionen in prähistorischen Booten und seine Theorien über Völkerwanderungen internationale Berühmtheit erlangt hatte, war so fasziniert, dass er nach

Teneriffa zog, um die Ausgrabungen systematisch voranzutreiben.

Mit jedem Fortschritt der Archäologen sah Heyerdahl seine frühere Hypothese mehr und mehr bestätigt, dass die Pyramiden von Guimar in direktem zeitlichen und konstruktiven Kontext

mit denen auf Sizilien, in Mexiko, Peru, Polynesien und Mesopotamien stehen. Was dann auch bedeuten würde, dass schon vor Columbus der Atlantik überquert wurde. Dass dies

möglich war, hatte Heyerdahl  Jahre zuvor bereits durch seine Atlantikexpedition mit dem Papyrusboot „Ra II“ bewiesen. Hünecke erläutert uns beim Durchwandern des weitläufigen

Ausgrabungsgeländes, dass die Pyramiden zur Sommersonnenwende zum Sonnenuntergang, im Winter zum Sonnenaufgang gerichtet seien, je nach Horizont des Ortes.Im Museum sind u. a. die archäologischen Funde zu sehen, die unter Pyramide I zu Tage traten: Ziegenknochen, Fischgräten, Fragmente von Keramiken, Perlenketten und Steinwerkzeuge, mittels der Karbon-Methode allesamt datiert in den Zeitraum von 680 – 1020 n. Chr.,  die Zeit der Guanchen, der Ureinwohner Teneriffas.

Im Auditorium des Museums vermittelt uns ein 15-minütigerDokumentarfilm einen komprimierten Eindruck von Heyerdahls ehrgeizigem und unsteten Forscherleben, dem die

Menschheit viele wichtige Erkenntnisse verdankt, dem aber drei Ehen zum Opfer fielen. Die Eröffnung seines Museums, dass eine seiner Töchter künstlerisch mitgestaltete, und die

Verleihung der Ehrenbürgerschaft Teneriffas durfte Thor Heyerdahl noch erleben.

Der rote Berg oder: Der Winter ist weit weg  

Nach diesem faszinierenden „archäologischen“ Vormittag zieht es uns am Nachmittag hinaus in die Natur. Unweit des Hotels beginnt am einen Ende der Bucht von El Me´dano der Naturpark „Montana Roja“, den zahlreiche Wanderpfade durchziehen, entweder von Bucht zu Bucht an der Küste entlang

Montanja Roja Playa Tequita

oder in luftige Höhen, immer über rot schimmerndes Gestein. Wir entschließen uns den gleichnamigem Berg zu erklimmen, ein wunderbares Naturerlebnis bei 27 ° Celsius, leichtem Wind, immer wieder prächtigen Ausblicken und nicht zuletzt in dem Wissen um Blitz-Eis und neue Schneefälle in der Heimat. Auf dem Gipfel treffen wir ein älteres Paar, Ole und Kristiana aus Norwegen, Winterflüchtlinge auch sie. Weniger Schnee als in Deutschland, aber dafür minus 35 ° hätten sie vor ihrer Abreise erlebt. Nun aber schweift unser aller Blick in sonnige Weiten und bleibt fasziniert an den Nudisten der Playa Tejita hängen.

Unesco-Weltkulturerbe und faszinierende Vulkanlandschaften  

Bereits Teneriffas Ureinwohner, die Guanchen, zogen die kühlere Hochebene der Küste vor. Kein Wunder also, dass auch die spanischen Eroberer hier mit „La Laguna“ eine Siedlung bauten, die sie 1496 zur ersten Hauptstadt Teneriffas machten. Obwohl 1723 die politische Macht an Santa Cruz verloren ging, ist die lebendige Universitätsstadt mit  Bischofssitz  bis heute das kulturelle Zentrum der Insel geblieben. Auf der Unesco-Liste steht sie als Abbild klassischer spanischer Kolonialarchitektur. Dieses koloniale Erbe wird sorgfältig gepflegt und begegnet uns Besuchern an diesem wieder sonnigen, aber durch die Höhenlage kühleren Morgen in Gestalt prachtvoller, exzellent restaurierter Bauwerke. In der „Iglesia de Nuestra Senora de la Concepción“, La Lagunas ältester Kirche, imponieren die wuchtige, bemalte Holzdecke, eine filigran geschnitzte Barockkanzel und ein Taufbecken, das der spanische Eroberer Alonso Fernandez aus Sevilla mit brachte.

Blick auf den Teide

Szenenwechsel: Von minutiös geplanter Architektur hinein in die majestätische und zerklüftete Vulkanwelt des Teide Nationalparks. Wiederum begleitet uns Hünecke selbst und die Stopps, die er auswählt, sind in ihrer Gesamtheit ein Eldorado für Fotografen und Naturbegeisterte. 1954 eingerichtet, ist der „Parque Nacional del Teide“ der älteste Nationalpark und mit 135 km 2 auch der größte der Kanaren. Dort, wo heute die „Canadas“ liegen, die ebenen Sedimentschichten am Fuß des Vulkankessels, wurde vor 7 Mio. Jahren durch vulkanische Aktivität das erste Land aus dem Meer gehoben und Teneriffa nahm Gestalt an. Wir blicken in eine virtuell anmutende Welt aus vielfarbig schillernden Aschehügeln, Ebenen, Schluchten und Geröllhalden, mal glatt poliert, mal scharfkantig. Überall sind einladende Wanderwege zu erkennen, die entweder recht eben die Canadas durchstreifen oder sich zur Vulkanspitze empor winden. Heute ist uns der halbe Ausflugstag zu wenig, als begeisterte Bergwanderer verspüren wir eine innerer Unruhe, möchten spontan auf einer der Routen los ziehen. Doch fürs Erste bleibt uns nur der Wunsch, beim nächsten Besuch auf Humboldts Pfaden den Gipfel zu erklimmen… 

Die große Diva und ihr Verlobter – Innigkeit und Perfektion auf der Bühne 

Hünecke wäre nicht Hünecke, wenn er nicht auch aus seiner Begeisterung für klassische Musik ein gelungenes touristisches Angebot kreiert. So bietet er nicht nur Musikwochen mit abendlichen Konzerten im Hotel  an, sondern vernetzt sein Programm zu Jahresbeginn auch regelmäßig mit dem der alljährlich stattfindenden kanarischen Musikfestspiele.

In diesem Jahr erwartet uns Gäste nicht nur ein musikalisches Highlight, sondern auch eine Premiere: Im

Auditorio de Tenerife

weiten Halbrund des architektonisch wie ein offener Flügel gestalteten „Auditorio de Tenerife“ in der Inselhauptstadt  Santa Cruz wird die große Sopranistin Anna Netrebko erstmals gemeinsam ein Konzert mit ihrem Verlobten, dem urugayischen Bass-Bariton Erwin Schrott, gestalten. Begleitet werden die Beiden von der russischen Nationalphilharmonie unter Vladimir Spivakov. Das in großer Besetzung angetretene Orchester unterstreicht schon zu Beginn des Abends mit der in rasantem Tempo perfekt vorgetragenen Ouvertüre der Oper „Ruslan und Ludmilla“ von Mijail Glinka seinen Anspruch, nicht als braves Begleitmedium der beiden Gesangsprotagonisten angereist zu sein, sondern das Konzert auch selbst mit prägen zu wollen. Auch das später dargebotene „Intermezzo“ aus Mascagnis „Cavalleria rusticana“ meint man selten so schön gehört zu haben.

Die Netrebko – oder Anna, wie die eingefleischten Fans sie im weiteren Verlauf des Abends bejubeln werden – räumt erstmal kopfschüttelnd und charmant lächelnd ein Mikrofon weg, dass irgendwer eigenmächtig auf die Bühne gestellt hat. Kurz darauf ist in Auszügen aus Glinkas Oper ihre Stimme auch im Piano bis in die letzten Reihen zu hören. Erwin Schrott, ihr Lebenspartner, beginnt mit der Arie „Madamina, il catalogo e`questo“ aus Mozarts „Don Giovanni“. In der Folge spannen die beiden solo oder in Duetten einen weiten Bogen über Gounod, Verdi, Donizetti, Arditi, Lehar, Dvorak bis zu George Gershwin. Bereits in den Soloauftritten beeindruckt neben gesanglicher  Perfektion auch das immense gestalterische Potenzial der Protagonisten: So lässt sich beispielsweise Erwin Schrott ein Pult auf die Bühne bringen, bevor er gestenreich Donizettis „Liebestrank“ versteigert oder Anna Netrebko legt bei „Deine Lippen küssen so heiß“ ein Stepp-Intermezzo ein. Was uns Zuhörer und –schauer an diesem Abend aber besonders berührt, ist die Innigkeit, mit der die Beiden ihre Duette interpretieren, egal ob Lehars „Lippen schweigen“ oder Gershwins „Bess you is my woman now“. Man spürt, dass sie sich auch jenseits der Bühne noch viel zu sagen haben…Eine große Geste auch, wie sie dem grandiosen Orchester Tribut zollen: Netrebko und Schrott verweilen Händchen haltend seitlich auf der Bühne, während Vladimir Spiakov seine Musiker mit einer schmissigen Tango-Zugabe zu einer letzten Höchstleistung treibt. Natürlich erleben wir das alles hautnah mit; denn unser perfektionistischer Hotelier hat für seine Gäste natürlich Karten in der achten, der aus seiner Sicht besten Reihe besorgt. Dort sitze man in Augenhöhe der Sänger – stimmt! 

Flip-Flops und Evergreens  

Doch abgesehen von diesem Abend mit „Weltstar-Atmosphäre“ werden wir auch die Konzerte im Hotel „Playa  Sur Tenerife“ als gleichermaßen gelungene wie entspannende Abendunterhaltung in Erinnerung behalten. Die junge Dame, der  wir bei unserer Rückkehr vom Strand am späten Nachmittag probend in Flip-Flops und Shorts begegnen, lernen wir abends festlich gekleidet als die sympathische

Yvonne Fiedler, die sympathische Nachwuchs-Sopranistin

Nachwuchs-Sopranistin Yvonne Fiedler kennen, die gerade ihr Begabten Stipendium in Los Angeles hinter sich gebracht hat. Begleitet von dem Berliner Pianisten Jürgen Pfeiffer gestaltet sie mit schon sehr gut ausgebildeter Stimme und viel Ausdruck alleine einen knapp zweistündigen Streifzug „Von der Operette zum Musical“ mit einer Fülle von Klassikern wie z. B. Rodrigos „En Aranjuez con tu amor“, Bernsteins Kompositionen „Somewhere“ und „Tonight“, Arlens „Somewhere over the rainbow“, Webbers „Memory“. Auch Strauss und Lehar sind naturgemäß wesentliche Bestandteile dieses abwechslungsreichen Programms. Dass sie auch Klavier und Komposition studiert hat, unterstreicht Yvonne Fiedler mit den zwei eigenen Liedkreationen „Follow your inner voice“ und Rainbow colours“, bei denen sie sich auch selbst begleitet.  

Der Meister und sein Schüler 

Der Pianist Professor Valerij Petasch kommt Jahr für Jahr nsach El Medano und hat zahlreiche Fans. Auch an diesem Abend haben sich zahlreiche Gäste aus der Umgebung eingefunden, die die Hotelhalle bis in den letzten Winkel füllen. Petasch unterrichtet an der Universität Ulm Hochbegabte anderer Professionen, die im Zweitstudiengang Klavier studiere wollen. PianistenIn diesem Jahr har er seinen aktuellen Musterschüler Uli Schinkmann mitgebracht, der im Hauptberuf als Zahnarzt arbeitet. Seinen Patienten mag man wünschen, dass er bei der Sanierung ihrer Zähne die gleiche Virtuosität an den Tag legt wie am Klavier, wo er das Programm mit einem „Nocturne“ von Chopin“ und dem „Liebestraum“ von Liszt gekonnt eröffnet. Dennoch findet der hochbegabte Musterschüler  dann in Petasch seinen Meister. Denn als dieser wenige Augenblicke später am gleichen Flügel Schuberts „Ständchen“ und einen Walzer von Chopin zelebriert, wird in seiner vollendeten dynamischen Spannbreite und der gleichzeitigen Sanftheit seines Anschlags der feine Unterschied hör- und spürbar. Im zweiten Teil ihres Klavierabends begeistern die beiden Künstler ihr Publikum mit vierhändigen Interpretationen wie z.B. den von Petasch eigens arrangierten „Paganini-Variatonen“, Schinkmanns Eigenkomposition „Nacht in Santa Cruz“ oder der ersten umjubelten Zugabe, Johann Strauss` „Frühlingsstimmenwalzer“. Auf  Teneriffa, der Insel des ewigen Frühlings, wäre das doch schon ein runder Abschluss an unserem letzten Abend gewesen. Doch die beiden Künstler entdecken die junge Sängerin im Publikum: Nach kurzem Zögern und ohne Warmsingen erleben wir eine spontane Uraufführung – Gershwins „Summertime“ mit Yvonne Fiedler, am Klavier vierhändig begleitet von den beiden Virtuosen des Abends.

Von frühlingshafter Natur und musikalischer Vielfalt intensiv verwöhnt, hoffen wir, genug Kraft getankt zu haben, um die noch anstehenden dunklen Wintermonate mental unbeschadet hinter uns zu bringen. Der Vollständigkeit halber bleibt nur noch zu erwähnen, dass uns Hotelchef Hünecke, der Kavalier der alten Schule,  am nächsten Morgen persönlich zum Flughafen bringt…

 Text und Fotos: Uwe und Stefan Junker

 

 

Infos:

Reiseführer:

Marco Polo – Teneriffa, von Sven Weniger, kurz und knapp, aber ein guter Einstieg mit vielen Insider-Tipps

Michael Müller Verlag – Reisehandbuch Teneriffa von Irene Börjes, ausführlich mit der für diese Reihe üblichen Informationsdichte, ideal Individualtouristen

Reiseveranstalter: Zum Beispiel TTS – Teneriffa Touristik Service GmbH, Hatwicusstraße 3, 22087 Hamburg, Telefon: 040-2201477, e-mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.; www.tts-touristik.de Umfangreiches Angebot verschiedener Reiseschwerpunkte: Wander-, Sport-, Erlebnis-, Musik- und Kulturreisen, die auch individuell kombiniert werden können.

Für vorwiegend an klassischer Musik Interessierte: Classic Highlights Reisen GmbH, Kirchstraße 2, 51702 Bergneustadt, Telefon: 02261-4058440.