Oberschlesien: Basiliken, Gründerzeitflair und ein Hauch von Venedig
Die Region rund um Opole, in eine liebliche Landschaft eingebettete Hauptstadt der deutschen Minderheit in Polen, treibt Kulturinteressierten die Tränen in die Augen – so viel Historisches und Sehenswertes gibt es hier zu sehen
Von Gerd Krauskopf
Wer als Urlauber unterwegs gerne einsame Landschaften mit hübschen kleinen Ortschaften, restaurierten Schlössern und guter Küche mag, der sollte sich auf den Weg ins Oppelner Land machen.
Das wird schon beim ersten Rundgang durch Opele, dem früheren Oppeln – 80 Kilometer südlich von Breslau – deutlich. Diese hübsche Studentenstadt und Zentrum der deutschen Minderheit ist mit ihren Straßencafés und den vielen Baudenkmälern einen Besuch wert. Besonders beeindruckend sind die gut renovierten gründerzeitlichen Wohnhäuser, die mächtige Kathedrale zum Heiligen Kreuz und die alte Stadtmauer. An der „Pfennigbrücke”, die den Mühlgraben überspannt, ist eine Kaffeepause ratsam. In früheren Zeiten musste man eine Pfennigmaut bezahlen, um über die 1903 errichtete Stahlbrücke hinüber zur Insel Pasieka in die Altstadt zu gelangen. Hier an diesem aufgestauten Mühlgraben, einem Nebenarm der nur einen Steinwurf am Ende der Insel entfernten Oder, lässt es sich gut schlemmen. Eine entspannte Stimmung kommt bei Sonnenuntergang auf einem schwimmenden Restaurant-Ponton auf und erinnert ein ganz klein wenig an die Lagunenstadt Venedig. Aber auch die Open-Air-Veranstaltungen in Oppeln können sich sehen lassen.
Gourmets scheuen aber auch nicht den Weg ins gut 50 Kilometer südöstlich gelegene Kędzierzyn-Koźle, dem früheren Neumannshöh. Dort wurde 2011 im kleinen neugotischen Pałac Większyce ein Restaurant eröffnet, das mittlerweile zu den besten 100 des Landes zählt. Dabei wurde das heruntergekommene Schloss von 1871 auf einer Anhöhe inmitten eines alten Baumbestandes 2003 nach alten Postkarten vom Feinsten von Grund auf renoviert. Wer hingegen gute, traditionelle Hausmannskost bevorzugt, sollte auf dem Weg zum Kamień Śląski, dem Schloss Gross Stein, einen Stopp einlegen. Hier in Gross Stein in der Gemeinde Gogolin wird im Restaurant Kamieniec nach alter Tradition Żurek Śląski, eine schlesische Sauermehlsuppe, angeboten. Diese unerwartet köstliche Vorspeise wird mit Roggenschrot vom Bäcker angerichtet. Danach folgt Weißkohlgemüse, Stampfkartoffeln mit Dill darauf sowie Piroggen mit Buchweizen und Hackfleisch in Waldpilz-Soße. Dazu stellt man eine knusprig gegrillte Haxe auf den Mittagstisch.
Nach solch opulent guten Mahlzeiten ist es an der Zeit, mal wieder die Beine zu bewegen. Zu Fuß geht es hinüber zum Schloss Gross Stein, dessen erste Burganlage an gleicher Stelle bereits im 11. Jahrhundert unter dem Rittergeschlecht der Odrowąż entstand. Heute wird das originalgetreu rekonstruierte Schloss von der Diözese Oppeln als wichtigstes religiöses und geistliches Zentrum mit Kurbetrieb verwaltet. In der Schlosskapelle beten gerade vier Nonnen der Gemeinschaft der Seligpreisungen. Später erzählt eine sehr freundliche von ihnen, dass sie aus Tirol hier zu Besuch ist.
Da in früheren Zeiten fast jede Stadt und jedes Dorf einen Palast oder eine Residenz hatte, steht dann auch auf dem Besichtigungsprogramm in der Stadt Moszna das gigantische Schloss Moschen, dessen Grundmauern auf das 17. Jahrhundert zurückgehen. Diesen mächtigen Barockpalast mit 365 Zimmern und 99 zauberhaften Türmen hat sein letzter Besitzer, Günter von Tiele-Winckler, mit seiner Familie vor dem Anrücken der Roten Armee im Februar 1945 eilig verlassen. Die Familie war damals der Meinung, dass in einigen Monaten das Durcheinander ein Ende habe und man dann wieder zurückkommen könne. So hatten sie nur das Nötigste in einem Koffer auf der Flucht dabei. Ins vom Krieg unzerstörte Schloss zog die Rote Armee ein und „wütete wie die Pest”, wie Schlossführer Piotr Koł ek angewidert erzählt. So warfen sie das Mobiliar in den offenen Kamin, um das Schloss zu heizen. Heute wird der malerische Park mit Wasserkanälen und romantischer Insel täglich von vielen Hochzeitspaaren als Fotolocation genutzt.
Die Sonne scheint nun schon seit Tagen. So auch an diesem frühen Vormittag in Nysa, dem ehemaligen Neisse. Hier im „Schlesischen Rom”, wie die Stadt dank ihrer Barockarchitektur genannt wurde, steht bei der Stadtbesichtigung eine der größten gotischen Kirchen in Polen, die Basilika zu den Heiligen Jakobus und Agnes, auf dem Programm. Sie ist geadelt mit dem Titel „Basilika Minor”. Pfarrer Mikołaj Mróz zeigt dann auch mit Stolz die gut gesicherte Schatzkammer im Glockenturm, der neben der Kirche steht. Während die mit Halbedelsteinen eingefassten Goldkelche bestaunt werden, erzählt Pfarrer Mróz, wie sie vor Plünderungen in den Kriegswirren versteckt worden sind. Die Schätze hat eine kleine Gruppe in der Kirche in einem Hohlraum eingemauert. Und der letzte Überlebende hat dann das Geheimnis nach langer Zeit preisgegeben. Zurück aus der Schatzkammer und einige Schritte weiter die Bastei Zur Heiligen Hedwig. Hier deutet in den Kasematten eine Tafel darauf, dass Charles de Gaulle im Frühjahr 1916 von Deutschen Truppen hier gefangen gehalten wurde.
Es kann keinen würdigeren Abschluss einer Oberschlesienreise geben als mit einem Besuch des wichtigsten katholischen Wallfahrtsortes, den Góra Świętej Anny, früher Sankt Annaberg. Der diente bereits früh kultischen Zwecken und die St. Anna-Basilika sowie die 33 ursprünglichen Kapellen des Kalvarienbergs sind seit 500 Jahren ein Ziel von Pilgerfahrten. Dem folgte auch Papst Johannes Paul II. 1983 mit einem Gottesdienst inmitten der Felder des Kalvarienweges vor einer Million Gläubiger. Unvergessen ist aber auch die Messe in der Basilika im November 1989, als Erzbischof Alfons Nossol hier die erste Predigt in deutscher Sprache gehalten hat. „Das war ein Schock für die Menschen”, erzählt Reiseleiter Waldemar Gielzok, gleichzeitig Präsident der deutschen Gesellschaft für Erziehung, mit blitzenden Augen. „Es war für sie unfassbar schön, hier wieder deutsche Worte auf dem Berg, der stets als Berg der Aussöhnung galt, zu hören.”
Weitere Informationen:
Polnisches Fremdenverkehrsamt, Hohenzollerndamm 151, 14199 Berlin, Tel. 030/2100920, www.polen.travel
Anreise: Eurowings, Lufthansa und LOT Polish Airlines fliegen zum Beispiel Breslau an. Von dort mit dem Leihwagen 80 Kilometer südlich ins Oppelner Land;
Unterkunft: Hotel Court Park, Doppelzimmer ab 57 Euro, Dwór Biskupów Wrocławskich, Aleja Józefa Lompy, 48-300 Nysa, Tel. 0048/795666127, www.courtpark.pl ;
Hotel Willa Park, Doppelzimmer 70 Euro mit Frühstück, ul. Leona Czogały 1, 45-625 Opole, Tel. 0048/774563508, www.villapark.opole.pl;
Restaurant Pałac Większyce, Patrycja i Artur Biernaccy Sp. J. ul. Kozielska 15, 47-208 Większyce, Tel. 0048/774821525, www.palacwiekszyce.pl;
Restaurant Kamieniec, Pl. Myśliwca 7, 47-325 Kamień Śląski, Tel. 0048/723969929, www.restauracjakamieniec.pl;
Schloss Gross Stein, 47-325 Kamien Śląski (Groß Stein), Tel. 0048/774671104, www.sanatorium.kamienslaski.pl;
Schloss Moschen, Moszna ul. Zamkowa 1, 47-370 Zielina, Tel. 0048/774669679, www.moszna-zamek.pl ;
Basilika zu den Heiligen Jakobus und Agnes, Rynek 2, 48-300 Nysa, Tel. 0048/774332505, www.bazylika-nysa.pl
Góra Świętej Anny, früher Sankt Annaberg, Mount St. 47-154. Anny, Tel. 0048/770900463;