Niederösterreich:
Kellergassen im Weinviertel
Windböen können den knorrig alten Bäumen inmitten riesiger Weinfelder nicht viel anhaben.
Da fahre ich auf schmalen Straßen durch eine wunderschöne Hügellandschaft im Nordosten von Niederösterreich, dem größten Weinanbaugebiet des Landes. Und irgendwie erinnert dieser hübsche Landstrich hier nördlich von Wien ein wenig an die Toskana.
Jetzt stört mich nur das aufziehende Gewitter. Und da hoffe ich, dass ich noch vor dem großen Regen in meinem gebuchten Schlosshotel in Mailberg ankomme. Ich erinnere mich daran, dass ich zu Hause gelesen habe, dass das Weinviertel zum relativ trockenen pannonischen Klimagebiet mit kalten Wintern und heißen Sommern gehört. Dabei hat bis jetzt wochenlang die Sonne geschienen.
Wow, ich schaffe es noch bis in den mächtigen Schlosshof meines neuen Urlaubsqurtieres, das am Rande des kleinen Örtchens Mailberg herrlich eingebettet ist inmitten von Weinbergen. Packe schnell meine Reiseutensilien aus und beziehe mein Genießerzimmer „Fürst Lobkowitz“, eine wahrlich fürstliche Herberge.
Vom Fenster meines Wohnzimmers blicke ich auf die nahegelegene Kunigundskirche auf dem gegenüberliegenden Hügel, wo es wahrlich bedrohlich aussieht. Minuten später zucken mächtige Blitze in der Ferne auf und Regen prasselt hernieder. Vielleicht zehn, fünfzehn Minuten lang. Dann ist der Spuk vorbei und die Sonne bahnt sich wieder ihren Weg zu mir ins Zimmer.
Jetzt heißt es erst einmal Ankommen, Fallenlassen und Wohlfühlen in meinem neuen Urlaubsdomizil. Und das beginnt dann auch mit einem langen Spaziergang, auf dem ich lese, dass die Wanderwege hier nach den Weintrauben der Region benannt sind. So wandele ich auf dem Veltinerweg und dem Blauen Portugieser-Weg. Am Abend dann sitze ich gemütlich mit einem Glas Wein im alten Schlossgarten und betrachte den Sternenhimmel, der hier großartig zu sehen ist, da diese friedliche Gegend nicht so lichtverstrahlt ist wie die hell erleuchteten Städte.
Wie dann am nächsten Morgen die Sonne wieder wie gewohnt die Felder streichelt, nehme ich mit Begeisterung das Angebot einer Schlossführung von Andrea Winter an. Die gute Seele des Hauses erzählt dann auch, dass diese luxuriöse Herberge seit 1146 im Besitz des Souveränen Malteser-Ritter-Ordens ist. Dabei spiegelt das Schloss mit der integrierten Pfarrkirche von Mailberg die Eleganz und Atmosphäre einer glanzvollen Epoche mit unzähligen Antiquitäten und Kunstwerken wider. Alle 9 großzügigen Doppelzimmer und die 11 Suiten unterstreichen jede für sich den individuellen Charme, wobei die herrschaftlichen Säle ein wahrlich einzigartiges Ambiente bieten.
Auf dem Weg zum gut sortierten Schlosskeller erzählt sie dann von einer der letzten großen Hochzeiten, bei der das Hochzeitspaar, dass das ganze Schlosshotel mit ihren Gästen gemietet hatte, im Nachhinein durch einen ihrer Gäste in große Verlegenheit gebracht worden ist. So hat dann vermutlich ein völlig betrunkener Gast wertvolle Gemälde in den Gängen abgehangen und sie in den Schlossgraben geworfen.
Über soviel Unverfrorenheit schüttele ich noch im Restaurant des Schlosskellers den Kopf, während ich die kulinarischen Freuden dieser Haubenküche mit edlen Tropfen dieses berühmten Weinanbaugebietes genieße.
Dabei ist es die absolute Ruhe hier in dieser friedlichen Gegend, in der ich mich in den nächsten Tagen wunderbar entspannen kann.
Friedlich war diese Gegend hier nördlich der Donau in früheren Zeiten jedoch nicht. So schlugen sich Römer und viele andere Krieger hier ihre Köpfe ein. Herzog Leopold V. füllte mit Lösegeld sein Staatssäckel auf, in dem er König Richard Löwenherz hier auf seiner Rückreise von seinem dritten Kreuzzug nach England gefangen nahm.
In der Neuzeit kamen die Türken zweimal hierher, brachten großes Leid und verschleppten die Frauen. Schwedische Truppen verwüsteten das Weinviertel und im Zweiten Weltkrieg kämpften deutsche Truppen hier erbittert um die letzten noch funktionierenden Erdölfelder.
Heute ist das zwar nicht vergessen, da erinnert man sich aber lieber an die guten alten Zeiten, als die hiesigen Weine vor der Reblaus noch internationalen Ruf und Ansehen am russischen Zarenhof ebenso wie am französischen Königshof hatten.
Mit dieser fürchterlichen Plage, der Reblaus, endete dann auch für lange Zeit die Weinproduktion und man konzentrierte sich auf landwirtschaftliche Produkte und auf Viehzucht, was seit Langem wieder den umgekehrten Weg auf diesem fruchtbaren Lössboden geht.
Das Weinviertel, in dem bis auf kleine Ausnahmen nur Weißwein angebaut wird, war das Erste, das mit dem Jahrgang 2002 das Qualitätssiegel Districts Austrian Controllata DOC für den Grünen Veltiner einführte, was bei den Kunden sehr geschätzt wurde und den Winzern großen Aufschwung brachte.
Heute nutzen mehrere österreichische Weinanbaugebiete diese Bezeichnung, deren Basis 1993 durch eine Novellierung des österreichischen Weingesetzes geschaffen worden ist, analog zum französischen und italienischen Weinrecht.
Als jedoch die Technik des Weinpressens noch nicht so weit war, wurde hier im Weinviertel Jahrhunderte hinweg und bis in unsere jüngste Vergangenheit hin der Wein nicht auf dem Bauernhof gepresst. Dort hielt man das Vieh und brachte die Ernte ein. Die Keller waren auf diesen Höfen zu klein.
Um jedoch die Trauben zu verarbeiten und den Rebsaft kühl lagern zu können, baute man sich vorwiegend in den Wintermonaten – wenn die Feldarbeit ruhte - abseits des Dorfes in Weinfeldnähe Presshäuser, die schon bald zu kleinen Dörfern heran wuchsen und Kellergassen genannt wurden. Das Baumaterial wie Lehm, Steine, Stroh und Holz für diese kleinen Presshäuser sammelte man gleich im Umfeld. Und als kühle Lagerstätte des Weines wurde im festen Lössboden ein Keller ausgeschachtet, so dass man keine teuren Ziegelgewölbe bauen musste. Für den Abzug der Gärgase wurden kleine Fensteröffnungen geschaffen.
Heute sind einige Kellergassen spurlos verschwunden, deren Presshäuser ausschließlich aus Lehm bestanden. Doch diejenigen, die schon fortschrittlicher mit Kalkmörtel und Kalkanstrich geschützt, oder später mit gebrannten Lehmziegeln oder gar Tonziegeln gebaut wurden, stehen noch heute erstaunlich unverfälscht an beiden Seiten von gepflasterten Gassen.
In einem solch alten Presshaus, einer Buschenschank, sitze ich dann auch an einem der letzten Abende und verkoste einen kräftigen, tiefgründigen Grünen Veltiner mit einer leichten, fruchtig feinen Süße.
Wie ich den Wein jetzt genüsslich schlürfe, da muss ich daran denken, dass die Kellergassen für diese Winzer über Jahrhunderte hinweg ein beispielloses Erfolgsmodell waren und man die kleinen Häuschen, in denen einst die Weine reiften, behutsam in die Landschaft gefügt hat. Heute reifen die Weine elektronisch überwacht in riesigen Stahltanks, die in hellen und großzügig gestalteten klimatisierten Hallen stehen.
Aber das wollen die meisten Touristen hier gar nicht sehen. Sie schlendern lieber - wie ich - auf gepflasterten Gassen inmitten dieser wohl geordneten Ensembles eines architektonischen Erbes, das seines Gleichen sucht oder wandern durch tief eingeschnittene Hohlwege, in denen Gewölbekeller rechts und links des Weges gegraben wurden und von der einstigen Armut dieser Region zeugen.
Gerd Krauskopf
Infos:
Schlosshotel Mailberg:
A-2024 Mailberg 1,
Tel +43 2943 30301,
http://www.schlosshotel-mailberg.at
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