Wachau
Wohlbefinden in uralten Mauern
Am späten Abend beim Blick aus dem Fenster vom urgemütlichen Stammtisch des „Löwenherz“ ist das Farbenspiel des Sonnenuntergangs in der malerischen Wachau der atmosphärische Hauptdarsteller. Da schmeckt der Wein besonders gut in diesem altehrwürdigen Haus in der friedlichen niederösterreichischen Donaulandschaft. Die freilich in früheren Zeiten nicht immer friedlich war. So schlugen sich Römer, Franken, Langobarden, das asiatische Reitervolk der Awaren und viele andere Krieger hier ihre Köpfe ein und hinterließen Burgen und Schätze.
In einer dieser stolzen Burgen, der heutigen Burgruine Dürnstein, gleich hoch über uns hier im kleinen autofreien, malerischen Örtchen Dürnstein, hat man von 1192 bis 1193 König Richard Löwenherz nach seinem Kreuzzug ins Heilige Land gefangen gehalten, um Lösegeld zu erpressen.
Nach ihm ist das ehemalige Klarissenkloster an der Donau zwischen Krems und Spitz, das heutige Romantikhotel „Richard Löwenherz“, in dem ich jetzt logiere, benannt worden.
Franziska Thiery, die Inhaberin dieser geschichtsträchtigen Mauern, hat sich zu mir an den Stammtisch ihrer Urgroßväter gesetzt. Mit Herzblut erzählt sie mir, dass es an diesem Stammtisch bereits 1880 hoch hergegangen ist.
Dabei stehen wir beide auf und schauen uns die Bilder und uralten Fotografien an, die gerahmt an der Wand hängen und von einer längst vergangenen Zeit genau hier an diesem Stammtisch erzählen.
Als wir uns dann wieder hinsetzen und ich einen großen Schluck Wein zu mir nehme, da erzählt sie mit freudigen Augen, wie die bedeutendsten Landschaftsmaler aus Wien die damals noch weitgehend tourismusfreie Wachau eroberten. „Hier fanden sie jene Motive“, sagt sie stolz, „die den dominierenden Stimmungsimpressionismus jener Zeit prägten. Nicht nur das südliche Licht dieses Flusstales zog sie magisch an. Auch die unbeschädigte Ursprünglichkeit dieser einzigartigen Kulturlandschaft und vor allem das bescheiden beschauliche Leben der Bevölkerung schlug sie in den Bann. Als in den Großstädten bereits das Elend der Industrialisierung herrschte, war hier noch eine Art „Goldenes Zeitalter“. Da zechte man noch fröhlich miteinander in der Ecke des großen Gewölberaumes gleich neben einer eineinhalb Meter dicken Bruchsteinmauer, die einst Teil der südlichen Befestigungsanlage Dürnsteins war und wohl über 700 Jahre alt ist.
„Lange Zeit“, so sagt Franziska Thiery, „war das hier auch in Zeiten des Klosters ein Schifferwirtshaus am Treidelpfad der Donau. Da wurden die Pferde, die die Lastkähne vom Donauufer aus stromaufwärts zogen, hier im großen Saal, einem damaligen riesigen Pferdestall, untergebracht.“
Wie wir uns dann lange über diesen Treidelpfad unterhalten, da empfiehlt die taffe Dame einen Besuch im Schifffahrtsmuseum in Spitz, in dem sehr anschaulich vielfältige Einblicke in Technik und Geschichte der historischen Donauschifffahrt gegeben werden.
Dass die Uferszenerie vor langer Zeit noch rauher und abweisender war als heute, das sehe ich dann auch an einem der nächsten Tage sehr anschaulich im mächtigen Gewölbekeller des Barockschlosses Erlahof, in dem das Schifffahrtsmuseum vo Spitz untergebracht ist.
Dort wird gut dargestellt, wie im 19. Jahrhundert 60 Arbeitspferde in Zweierreihen hintereinander gespannt eine Armada von Holzkähnen und auch Flöße über die Urgesteinsböden und dicht an den steil aufragenden Felsen vorbei donauaufwärts gezogen haben. Zu jener Zeit hätten sich die schuftenden Arbeiter im Traum nicht vorstellen können, dass ihnen einmal Schiffsmotoren ihren Arbeitsplatz nehmen könnten. Auch nicht, dass ihre urgewaltige Wachau einmal ins Weltkulturerbe der UNESCO aufgenommen werden könnte.
Zurück nach so viel Kultur, denke ich noch lange beim Baden im Hotelpool darüber nach, wie schwer die Arbeit hier in früheren Zeiten für die Menschen war.
Später sitze ich dann bei Sonnenuntergang auf der romantischen Terrasse des hoteleigenen Restaurants hoch über der Donau und genieße die erlesene Küche, die mit einer Haube von Gault Millau ausgezeichnet ist. Da habe ich mich beim heutigen Menü beim Hauptgericht für das Filetstück entschieden, das vom heimischen Rind stammt und mit Gänseleber auf Wurzelgemüse sowie mit Pommes Macaire gereicht wird. Chefkoch Gerhard Streimelweger verrät mir dann auch mit Stolz, dass mein leckeres Filetstück vom Angusrind stammt, die ein Biobauer seit langem im benachbarten Krems züchtet.
In der großartigen Flusslandschaft Wachau, die zu den lieblichsten Landschaften Europas gerühmt wird, hat das heutige Industriezeitalter kaum hässliche Bauspuren hinterlassen. Das stelle ich auch jetzt wieder fest, während ich mit dem Wagen unterwegs bin zu Barbara und Karl Holzapfel, einem befreundeten Ehepaar, das in Joching den Prandtauerhof bewirtschaftet und die zu den besten Winzern Österreichs zählen. Während Karl in seinem Weinberg mit seinen Reben beschäftigt ist, die ausschließlich von Hand gelesen werden, verkoste ich mit Barbara die Weinsorten Grüner Veltiner Achleiten Smaragd und den Riesling Vorderseiber Smaragd, von denen ich jeweils ein Kistchen mit nach Hause nehmen möchte.
Der berühmte Barockbaumeister Jakob Prandtauer, so weiß ich von den beiden sympathischen Winzern, hat ihr altehrwürdiges Haus 1669 erbaut, bevor er das pompöse Stift Melk zu seiner jetzigen Schönheit ausbauen konnte, das bereits 976 Residenz der Babenberger war und seit 1089 als Sitz der Benediktiner fungiert.
Noch heute thront das riesige Benediktinerkloster Melk mit seiner alten Privatschule aus dem 12. Jahrhundert als Eintritt in die Wachau stolz über der hübschen kleinen Stadt Melk und der Donau. Seit mehr als 1000 Jahren ist Melk ein geistliches und kulturelles Zentrum des Landes, dessen Schätze überaus pfiffig in modernem Umfeld präsentiert werden.
Von Stift Melk an veredeln architektonische Bauwerke inmitten von mit Legsteinmauern gestützten Weinterrassen auf 33 Flusskilometern bis hin zum Stift Göttweig hoch über dem Städtchen Krems das Donautal.
Ich fahre von dieser gotischen Pracht Melk auf der rechten Donauseite flussabwärts, besuche das alte Raubritternest Aggstein, das hoch oben auf einem Berg thront. Es hat nicht nur einen grandiosen Blick weit über die Wachau hinaus, sondern auch eine schlimme Vergangenheit. So wurde es der Überlieferung nach den Gefangenen überlassen, ob sie verhungern oder ihrem Leben mit einem Sprung vom Felsvorsprung in den Rosengarten ein kurzes Ende bereiten wollten.
Wieder unten am Donauufer angekommen, fahre ich etwas nachdenklich über solche Grausamkeiten nach Oberarnsdorf. Und da der Donaudurchbruch mit seinen steil aufragenden Felswänden im Bereich der Wachau auf einer Distanz von etwa 30 Kilometern nur in Melk und in Krems jeweils eine Brücke zu bieten hat, steuere ich dort die herrlich nostalgische Rollfähre an, die mich nach Spitz übersetzt.
Und wieder sitze ich nach leckerem Essen an diesem gemütlichen Stammtisch, der inzwischen zu meinen Favoriten zählt und stelle mir die Frage, ob sich alle diese Römer, Franken, Langobarden, das asiatische Reitervolk der Awaren - und wer sich noch hier stark gemacht hat - in diesem vielleicht schönsten Flusstal der Welt auch ihren Wein haben schmecken lassen?
Gerd Krauskopf
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3610 Joching-Wachau
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F +43(0)2715/2310-9
Schifffahrtsmuseum Spitz
Auf der Wehr 21
3610 Spitz/Donau
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Tel. Museum: +43 (0) 2713/2246
www.schifffahrtsmuseum-spitz.at