Irland
Galway – Musik und Meer
Die heimliche irische Metropole für Folk-Musik und Europas Kulturhauptstadt des Jahres 2020 entdecken: Von urigen Pubs mit Live-Musik im Latin Quarter bis zu Ed Sheerans berühmtem Song "Galway Girl". Eintauchen in die Welt der traditionellen irischen Musik und erfahren, warum Galway als Mekka für junge Musiker gilt. Die grüne Uferpromenade des Corrib River entlang wandern oder die prächtige St. Nicolas' Cathedral bestaunen. An den feinsandigen Buchten von Salthill entspannen: Galway garantiert unvergessliche Tage voller Musik, Geschichte und Natur.
Von Uwe Junker
Galway Girl
Irgendwo im Latin Quarter zeigt Mike auf seiner Free Walking Tour das Foto eines rothaarigen pummeligen Teenagers mit Gitarre. „Das ist Ed Sheeran. Seine Weltkarriere begann hier bei uns als Straßenmusiker“, erklärt er stolz. Und der heutige Weltstar ist sich seiner Wurzeln ganz offenbar bewusst: 2017 wählte er für die Dreharbeiten zu seinem Song „Galway Girl“ O´Connel´s Pub am Eyre Square und O`Connors Pub im Ortsteil Sandhill an der Küste aus. Und wer seinen Spuren von der einen zur anderen Location folgen möchte, der wird am Ortsausgang auch die kleinen, bunten Häuser am Long Walk entdecken, die die Schlusseinstellung des Videos tragen. Die Journalistin Amy Mulvaney bezeichnete den Titel im Irish Independent einst als „endgültigen Beweis dafür, wie sehr Ed Sheeran Irland liebe“.„She played the fiddle in an Irish Band, but she fell in love with an English man“, heißt es in Refrain. Im Conelly´s eröffnet bei unserem Besuch gerade eine Band in den Reigen traditioneller irischer Musik – auch mit einer Frau an der Geige. Der freundliche Jamie an der Bar serviert uns großzügig einige kleine Kostproben aus dem umfangreichen Bierangebot. „Ich hab´ dich auf dem Musikvideo von Galway Grirl gar nicht entdeckt“, rufe ich ihm zu. „2017 habe ich hier noch gar nicht gearbeitet, aber das Video war eine große Sache für unsere Stadt“, erklärt er. „Plötzlich wurde vielen klar, dass Galway ein Mekka irischer Folkmusik ist und man mit der auch durchaus öfter mal oben in den Charts landen kann. Heute spielen mehr junge Leute als je zuvor traditionelle irische Musik. Und auch unser Musikfestival `The Galway Sessions`zieht jeden Sommer viele BesucherInnen an. Crehan organisiert diesen alljährlichen Event. Er ist selbst ein begnadeter Querflötenspieler und betreibt mit seiner Frau die Crane Bar im West End. Was macht diese Musik eigentlich aus? Das Alte sei ein wichtiger Teil, erklären Jamie und Crehan übereinstimmend. Die Geschichte vieler Lieder reiche Jahrhunderte zurück. „Viele Musiker, die sie spielen, wissen das gar nicht“, meint Jamie. „Sie spielen sie einfach und tragen so zum Austausch zwischen den Generationen bei“.
Der doppelte Wilde
Dem bunten musikalischen Treiben der vielen Nachwuchskünstler in den Gassen des Latin Quarter würden sicher auch die beiden Herren Wilde auf ihrer Bank mittendrin aufmerksam folgen – wenn sie nicht in Bronze gegossen wären. Oscar Wilde, der Vorzeige-Dichter Irlands und der Este Eduard Wilde, kritischer Journalist und 1919/20 erster Botschafter der Republik Estland in Berlin, scheinen in ein inniges Gespräch vertieft. Die beiden Denker symbolisieren die Einheit Europas. Das Original des vom Esten Tiiu Kirsipuu geschaffenen Denkmals steht im estnischen Tartu, am äußersten Rand Osteuropas.
Lynch Justiz am Lynch Castle
Mike lässt uns am Lynch Castle anhalten, heute Sitz der Allied Irish Bank, früher Wohnsitz der reichen Handelsfamilie Lynch. Deren ältester Sohn war ein Lebemann, der sich nicht so recht in den strukturierten Tagesrhythmus eines Kaufmannslebens fügen wollte. Kurzentschlossen buchte der Vater ihm eine Schiffspassage nach Spanien und gab ihm den Wunsch mit auf den Weg, er solle sich erst dann wieder in Galway sehen lassen, wenn er selbst irgendetwas auf die Beine gestellt hätte. Gesagt, getan: Der einst leichtlebige Sprössling baute zusammen mit einem jungen Andalusier einen florierenden Weinhandel auf. Stolz kehrte er mit seinem spanischen Compagnon nach Galway zurück, um ihn in seine Familie einzuführen. Der erwies sich aber als echter Casanova, der nichts Besseres zu tun hatte, als die Verlobte seines Partners anzubaggern. Und die fand den feurigen, braungebrannten Spanier auch noch attraktiv. Es kam zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung, an deren Ende Lynch Junior seinen Rivalen ins Jenseits beförderte. Vater James Lynch, stur, rechtstreu und unbestechlich trat 1493 im Mordprozess gegen seinen eigenen Sohn als Kläger und Richter auf, da sich niemand sonst in der Stadt dazu bereitfand. Und henkte ihn letztlich auch selbst. Seither gilt Galway als Geburtsort des Wortes „Lynchjustiz“. Auch vor Lynchs Castle haben sich an diesem Tag Musiker eingefunden – zum Haus und seiner Geschichte passend lassen sie im wohlklingenden Duett von Geige und Akkordeon aber getragene klassische Melodien erklingen.
Kathedrale, Strand und Lachse
Wir verabschieden uns von Mike und spazieren mit wechselnder musikalischer Begleitung die grüne Uferpromenade des Corrib River entlang und über die Salmon Weir Bridge zu prächtigen St. Nicolas´Cathedral. Im Innern beeindrucken Connemarra-Marmor, Altarraum, Fensterosette, die Mosaiken der Seitenkapellen – und der einladend-warme Mezzosopran einer Sängerin, die sich selbst zu mythischen Weisen auf ihrer Gitarre begleitet. Galway steht für Musik auf Schritt und Tritt.
Das schöne Frühsommerwetter macht Lust auf Meer und Strand. Linker Hand lassen wir die bunten Häuser des Long Walk und die alte Stadtmauer mit dem Spanish Arc hinter uns. Hier
soll Columbus das 1477 an Land gegangen sein, bevor er weiter nach Island segelte. Wir wandern weiter zu den feinsandigen Buchten von Salthill, genießen Eis, Kaffee und ein gutes Buch. Beobachten einheimische Jugendliche, die sich unerschrocken in die noch sehr kalten Fluten stürzen. Wieder zurück im Ort und am Fluss bescheint das milde Licht der Abendsonne eine idyllische Szenerie, in der die Salmon Weir Bridge ihrem Namen alle Ehre macht: Unweit der Brücke stehen drei Fischer in dickem Gummizeug im Wasser, um einige der den Corrib herauf schwimmenden Lachse zu fangen.
Weitere Informationen:
Aus Deutschland reist man am einfachsten über die Hauptstadt Dublin. Günstige Flüge mit Aer Lingus sind von den meisten deutschen Flughäfen buchbar. Von Dublin kann die Weiterreise nach Galway entweder per Zug von der Station Heuston erfolgen (ca. 2 Std., einfache Fahrt 35 €) oder mit dem Bus direkt vom Flughafen Dublin (ca. 3 Std, einfaches Ticket ca. 18 €).
Mai bis September. Die Monate Juni und September sind statistisch die regenärmsten.
Unterkunft
Zimmer pro Nacht für ca. ab 80 €, komplette Unterkünfte liegen bei rund ab 160 €. Günstiger sind Betten in den zahlreichen Hostels oder ein Bed & Breakfast.
Kontakt
Tourism Ireland Frankfurt
Gutleutstr. 32
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Telefon: +49 69-9231850