Mendrisiotto

Schweiz: Mendrisiotto, die Wein- und Genussregion des Tessins, ist Herbst-Wanderparadies und Kulinarik-Hotspot

Tessin, Mendrisiotto
Wer durch den südlichsten Kanton der Schweiz wandert, entdeckt Schatzkästchen voller Tradition und ein traumhaftes 360 Grad Panorama vom Monte Generoso mit Blick tief hinunter auf Seen und hinüber auf die Bergwelt vom Matterhorn bis Mailand 

 

Von Gerd Krauskopf

 

 Gemächlich zockelt die nostalgische Elektro-Zahnradbahn – eine der Ältesten ihrer Art – auf den 1704 Meter hohen Monte Generoso, dem bedeutendsten Aussichtsberg im Kanton Tessin in der Region Mendrisiotto. Dabei erklimmt sie 1332 Höhenmeter in knapp vierzig Minuten bei Tessin, Mendrisiottoeiner Länge von fast zehn Kilometern. Heute hat Elisabeth Dani die Steuergewalt über die gute alte Zahnradbahn. Und das bereits seit elf Jahren. „Bis zum Jahr 1950“, erzählt sie stolz, „schnaufte hier auf dieser Strecke, die 1890 eingeweiht wurde, eine alte Dampflock aus der Belle Époque. Und in den Sommermonaten wird sie alle zwei Wochen wieder angeheizt und bringt Nostalgiker auf dem aussichtsreichsten Berg der italienischen Schweiz wieder ins Schwärmen.“ 

 

Und dann steht unsere kleine, siebenköpfige Reisegruppe an der Bergstation nur ein paar Höhenmeter unter dem Gipfel und bestaunt auf einem Plateau ein architektonisches Tessin, MendrisiottoMeisterwerk, das der Stararchitekt Mario Botta als mehrstöckige „Steinblume“ mit Restaurants und Aussichtsplattform mit einem 360 Grad Rundumblick geschaffen hat. Jedoch ist der Gipfel jetzt noch in Wolken gehüllt, bis sich wenig später die Sonne wieder durchsetzt. Dort unten dann schimmern  im Sonnenlicht in den Tälern die Seen von Lugano, Como, Varese und der Lago Maggiore. Der Blick geht bis in die Po-Ebene mit Mailand und die grandiose Bergkette mit dem Matterhorn. Tessin, MendrisiottoDabei, so erzählen es einige Einheimische, sei dieses Bauwerk ihnen zu modern und gehöre eigentlich in ein modernes Dorfensemble. Für sie gehört dorthin ein typisches Schweizer Berghaus. Für die anderen ist es das Highlight schlechthin.

 

Nur wenige Schritte vom Modernen entfernt treffen wir auf pure Nostalgie der uralten Alp Clericetti. Und die führen bereits in der 5. Generation Marisa und Aurelio Clericetti. Zu ihrem Betrieb gehören neun Kühe und 30 Schafe, mit denen sie von Mai bis Oktober vom Muggiotal Tessin, Mendrisiottoauf die höchste Alp des Monte Generoso ziehen. Begleitet werden sie dabei von Claudio, der die Tiere hütet.

 

Und auf der kleinen Terrasse mit dem sagenhaften Ausblick ins Tal bewirtet Marisa ihre Ausflugsgäste mit den eigenen Käsesorten, wie beispielsweise dem gut zwei Wochen alten Furmagin und dem köstlich reifen, drei Monate alten Zincarlin. „Ihn“, den mit Bergkräutern angereicherten Käse, so strahlt die taffe Sennerin, „verkaufe ich für 17 Franken. Nur kann ich davon gerade mal 40 Stück im Jahr herstellen“, bedauert sie. Das Tal ist Heimat dieses pikanten Rohmilchkäses, der im 19.Jahrhundert hier noch im Tessin in jeder Familie produziert wurde.Tessin, Mendrisiotto

 Fast wäre dieses kulinarische Erbe der kleinen pyramidenförmigen Laibe, die in den Felsenkellern des Mendrisiotto reifen, für immer verschwunden, hätten nicht Einheimische 2005 die kommerzielle Produktion wieder in Schwung gebracht. Hergestellt aus Kuh- und Ziegenmilch, die hier oben auf den Almen des Monte Generoso gewonnen wird, hat sich der Zincarlin heute zu einem Slow-Food-Preisträger etabliert.


Nach dem Genuss des würzig köstlichen Zincarlin und einem guten Glas Merlot aus dem Mendrisiotto verlässt die kleine Gruppe unter Führung von Silvio Bindella die Alp und macht Tessin, Mendrisiottosich auf den Fußweg hinunter nach Scudellate ins Muggiotal, das als eines der authentischsten und traditionellsten Gegenden des Tessins gilt.

 

Wir entscheiden uns für den steilsten Weg, der eine hohe Trittsicherheit erfordert. Um nicht zu straucheln, muss man sich konzentrieren. Sehnen und Gelenke bekommen es zu spüren. Dafür werden wir mit grandiosen Aussichten belohnt. Unterwegs erklärt Silvio an verlassenen Gehöften mitten im Berg das architektonische Zeugnis der tausendjährigen Bauernkultur, Tessin, Mendrisiottoden Nevère. „Dies“, so erklärt er, „ist ein Vorgänger des modernen Kühlschrankes. Diese kleinen runden Steinhäuser mit Steindach wurden im Winter mit Schnee gefüllt. Darauf haben sie im Frühling eine Schicht Blätter gelegt, worauf die Bauern die Milch den Sommer über bei einer konstanten Temperatur von zehn Grad aufbewahren konnten, bevor sie diese zu Butter und Käse weiter verarbeiteten.“

 

Und diese Steinplatten hier in der gesamten Region Mendrisiotto bergen ein besonderes Geheimnis. Das hat uns vorab Daniele Albisetti vom Fossilienmuseum Monte San Giorgio in Meride verraten. „Damals, im Zeitalter der Trias vor 242 Millionen Jahren“, schwärmt der Museumsleiter, „bildeten die Gesteine ein Meeresbecken in einer subtropischen Region. Und Tessin, Mendrisiottoinmitten dieser Steinplatten befindet sich ein Friedhof der triassischen Zeit. Die Versteinerungen von Fischen, wirbellosen Tieren wie Insekten und Reptilien aus dieser Zeit gelten als einzigartig. „Ein Beweis dafür, dass über diese Steine bereits die Urgroßeltern der Dinosaurier auf Futtersuche gelaufen sind“, erzähltder Museumsleiter begeistert. Für diese Einzigartigkeit wurde diese Region zum Unesco Weltnaturerbe geadelt.

 

Tessin, MendrisiottoWeiter geht's für uns hinunter ins kleine Dörfchen Scudellate, das sich am Ende des Muggiotal befindet. Von hier gibt es nur einen Fußweg hinüber zur italienischen Grenze. Warmherzig werden wir von Piera Piffaretti empfangen, die in dem fast verlassenen Bergdorf eine kleine Pension, ein Restaurant und einen winzigen Tante-Emma-Laden betreibt. Tessin, Mendrisiotto„Vor 80 Jahren hatten wir noch eine Schule mit 30 Kindern“, erzählt die alte Dame. „Heute zählt unser Dorf gerade noch zwanzig Einwohner. Aber“, und hier strahlen ihre Augen, „nach und nach kommen einige wieder zu uns zurück.“ Und das liegt daran, dass ihr Dorf zu einem Hoteldorf umgestaltet wird mit hervorragender Wander- und Kulturmöglichkeit. So beteiligen Tessin, Mendrisiottosich viele Hausbesitzer an dieser für sie bahnbrechenden Idee und richten ihre Häuser entsprechend her. Die Rezeption wird dann im Restaurant von Piera sein. Bevor unsere Gruppe die Herberge verlässt, läuft die Wirtin noch zu Hochform auf und schmettert mit ausgestreckten Armen herzzerreißend alte Lieder aus ihrer Heimat.

Auch wir müssen langsam der Sonnenstube "Tschau Mendrisiotto" sagen. Bevor wir uns aber in Deutschland in alle Himmelsrichtungen verteilen, genießen wir noch ein letztes Mal die hervorragenden, kulinarischen Spezialitäten mit den exquisiten Weinen der Region in einem der besten Fischrestaurants gleich am Luganersee in Riva San Vitale, dem „Porto Pojana“.Tessin, Mendrisiotto

 

Weitere Informationen:

Ticino Turismo, Via Canonico Ghiringhelli 7, 6501 Bellinzona, Schweiz, Tel. 0041/918215334, www.ticino.ch

Anreise: Mit dem Zug oder dem Flugzeug bis Zürich. Von dort mit dem Zug bis Arth-Goldau. Weiter nach Lugano und von dort bis Capolago-Riva San Vitale. Dort mit dem öffentlichen Bus nach Brusino Arsizio und Auffahrt mit der Seilbahn nach Serpiano.

Unterkunft: Zum Beispiel Hotel Serpiano (3 Sterne), hoch über dem Luganer See, Via Serpiano, 6867 Serpiano, Schweiz, Tel. 0041/91/9862000, www.serpiano.ch

Besuch des Monte Generoso: www.mendrisiottoturismo.ch 

Unser Tip zum Parken an verschiedenen Flughäfen: Holiday extras bietet an zahlreichen Flughäfen günstige Parkmöglichkeiten inclusiv Schuttleservice an, www.holidayextras.de/ 

Tessin, Mendrisiotto