Vellau "Schwalbennest"

Herbst in Südtirol: Hochgenuss im „Schwalbennest“

 

Südtirol, Algund-Vellau 

 Gerade jetzt ist Vellau ein guter Startpunkt für Touren im Vinschgau, dem Etschtal oder für Wanderungen im Gebirge

 

Von Gerd Krauskopf

 

Diese Ruhe hier oben in Vellau, dem kleinen Algunder Weiher am Südhang der Alpen, auf einem Felssporn am Fuße der mächtigen Texelgruppe. Rustikale Apfel-Bergbauernhöfe, wenige kleine Ferienhäuser und Frühstückspensionen sowie das beschauliche Kirchlein zur heiligen Dreifaltigkeit bestimmen das Bild des Ortes mit seinen gerade 130 Einwohnern. Wer Unaufgeregtheit, 700 Höhenmeter über der quirligen Kur- und Sisi-Stadt Meran, sucht, genießt vom Balkon der Pension „Vellauerhof“ — einem „Schwalbennest“ ähnlich — den Blick in den Südtirol, Algund-VellauVinschgau mit dem mächtigen, schneebedeckten Ortler. Mit 3905 Metern ist er der höchste Berg der italienischen Provinz Südtirol. Oder man dreht sich um neunzig Grad und schaut hinein ins Etschtal. Das Auge wandert vom Meraner Becken, dem Burggrafenamt — das zur Zeit der Grafen von Tirol einem Vogt oder Burggrafen unterstellt war — bis hinüber nach Bozen zu den Ausläufern der Dolomiten in gut 40 Kilometern Entfernung.

 

Einfach im Hier und Jetzt leben, die frische klare Luft im „Schwalbennest“ schmecken und am Morgen den Frühstückstisch unter dem Sonnenschirm decken – so lässt es sich leben. Schon vor dem ersten Schluck Kaffee nimmt der Genießer mit spitzen Fingern eine dünne Scheibe des Südtiroler Specks mit seiner typischen Gewürzkruste und lässt sie auf der Zunge zergehen. Das Aroma ist einfach zu verführerisch. Es duftet und schmeckt nach Wacholder, Rosmarin, Majoran und Lorbeer. Das leichte Raucharoma und die langsame Reifung des Specks in frischer Bergluft sorgen dafür, dass eine zweite Scheibe vom Wurstteller verschwindet. Dann Südtirol, Algund-Vellauwerden Scheiben vom Kaminwurzen auf dem Vinschger Paarlen - dem ältesten Bauernbrot, das einst in den Klöstern gebacken wurde und nach Fenchel, Kümmel und Koriander riecht und schmeckt — verteilt und mit großem Appetit verzehrt. Während frischer Kaffee in den Tassen duftet, fliegen Schwalben pfeilschnell am Balkongeländer vorbei. Ihre Jungen, die auf den mächtigen Dachbalken über dem Balkon in ihrem Nest großgezogen worden sind, machen gerade ihre ersten Flugübungen.

 

Nach so viel Genuss steht Bewegung an. Eine Wanderung ist das richtige, zum Beispiel über den Algunder Waalweg, an dem das Wasser für die Bewässerung der Obstgärten- und Südtirol, Algund-VellauWeinstöcke entlangplätschert und weiter über den Tappeinerweg, der mit exotischen Pflanzen und Bäumen umsäumt ist und in Meran endet. Oder vielleicht doch lieber hinüber ans andere Ende von Vellau zum alteingesessenen Gasthaus Gasteiger und mit dem nostalgischen Stehkorb hinauf zur Leiteralm auf 1550 Metern Meereshöhe? Dort beginnt der wunderschöne Südtirol, Algund-VellauVellauer Höhenweg, der eine traumhafte Aussicht bietet und bis zum Gasthaus Hochmuter hinüberführt. Von dort geht es abwärts über den schmalen Vellauer Felsenweg, der an exponierten Stellen mit Stahlketten versehen ist und in Vellau endet.

 

Will man das nach den vielen schönen Erlebnistouren? Nein, heute mal nicht!

 

Und wer heute zu faul ist für viele Schritte, der füttert die Seele mit dem tiefen Grün der bewaldeten Berge und beobachtet die Schleierwolken, die aus dem benachbarten Ultental Südtirol, Algund-Vellaulangsam herüberquellen. Weiter hinten ist ein Gleitschirmflieger am Gangkofel — dem nordöstlichen Eckpfeiler des Mendelkamms, der fast senkrecht in den Bozner Talkessel abfällt — gestartet. Elegant schraubt er sich mit der Thermik in die Höhe.

 

Und dort lässt sich ein Turmfalke in der warmen, aufstrebenden Luft treiben. Es ist interessant, die eleganten Flugkünste des Greifvogels zu beobachten. Dabei kommt er so nah heran, dass man den blaugrauen Kopf und den rotbraunen Rücken mit schwarzen Flecken erkennen kann. Dann bleibt der Falke in der Luft stehen zum Rüttelflug, tief unten hat er vielleicht eine Feldmaus inmitten der steil abfallenden Apfelplantage entdeckt. Plötzlich setzt der Raubvogel zum Sturzflug an und entschwindet inmitten der vielen Apfelbäume aus dem Blickfeld.

 

Südtirol, Algund-VellauEs ist später Mittag, und die exzellente Küche des Restaurants Oberlechner, nur ein paar Schritte oberhalb des Vellauerhofs und mit bester Aussichtsterrasse, passt gut ins heutige Nichtstun. Hier kocht der Chef des Hauses, Peter Gamper, mit seiner kreativen Mannschaft mit heimischen Produkten auf hohem Niveau und kann sich auf dem kulinarischen Parkett – begleitet von guten Weinen – durchaus sehen lassen. Weit gereiste Gäste, das sieht man an den Auto-Nummernschildern, wissen seine Küche ebenfalls zu schätzen. Spricht man ihn auf Südtirol, Algund-Vellauseinen Vater Johann (Hans) Gamper an, der in Algund 50 Jahre Bürgermeister war, dann wird er ganz nachdenklich und seine Augen glänzen. „Im Juni 1945 wurde mein Vater vom Distriktkommando der Alliierten als einer der Köpfe der Südtiroler Widerstandsbewegung zum kommissarischen Bürgermeister von Algund ernannt“, erzählt er stolz. Die Südtiroler Zeitung, „die BAZ“, hebt noch heute den Weitblick Gampers hervor, mit dem dieser den wirtschaftlichen Aufschwung des Ortes nach Faschismus und Kriegsjahren lenkte und förderte. So war der Vater 1995 der dienstälteste Bürgermeister Südtirols, Italiens, Europas, womöglich der Welt. Nur wenige Monate nach Ablauf seiner letzten Amtsperiode starb er. 

 

In Gedanken an diesen außergewöhnlichen Menschen geht es zurück ins „Schwalbennest“. Am Nachmittag beginnt die Apfelernte in der Steillage unterhalb des Balkons, nachdem bis heute Vormittag Hans Schweigl mit seinem Hüpfer – so nennen die Südtiroler ihre kleinen Traktoren – auf einem entsprechenden Anhänger die schweren robusten grünen Kunststoff-Ernteboxen in der Apfelplantage verteilt hat, in denen während der rund dreiwöchigen Ernte die Äpfel Südtirol, Algund-Vellauschonend gelagert werden. „Mit drei Helfern aus Tschechien und der Slowakei“, erzählt Schweigl, „müssen 12.000 Apfelbäume der Sorten Delicious und Fuji abgeerntet werden. Die fahre ich dann zur Burggräfler Obstgenossenschaft unten in Algund.“ Allerdings, merkt der Apfelbauer kritisch an, fielen die Äpfel durch die diesjährige, ungewöhnlich lange anhaltende Hitze und das knappe Wasser wesentlich kleiner aus.

 

Der Abend naht, und über dem Vigiljoch, dem nordöstlichsten Ausläufer der Ortler-Alpen, verabschiedet sich langsam die Sonne. Im „Schwalbennest“ wird wieder der Tisch gedeckt. Im Glas funkelt der Rotwein in den letzten milden Sonnenstrahlen, der vom Bozner Bauernmarkt mitgebrachte Almkäse von hochalpinen Sennereien und die Oliven bieten wahre Gaumenfreude. Weit hinten im Abendlicht glühen die Dolomitengipfel, und die kleinen weißen Ballen der Cumuluswolken haben sich zartrosa verfärbt. Der leichte Abendwind trägt jetzt ein leises Rauschen der tief unten reißenden Etsch herauf. Und die jungen Schwalben haben sich auf ihren Dachbalken zur Nachtruhe zurückgezogen. Im Meraner Becken gehen allmählich die Lichter an und der Vollmond steigt über dem Gipfel des Ifinger prachtvoll auf.Südtirol, Algund-Vellau

 

Weitere Informationen:

 

Anreise:

Algund, die Nachbargemeinde von Meran, erreicht man nachhaltig mit der Bahn von Deutschland  aus bis Bozen. Ein kurzes Stück durchs Etschtal mit der barrierefreien Südtirolbahn bis Meran. Von dort bis fast vor die Haustür in Vellau mit dem Bus.

 

Per Auto von Füssen aus über Reutte (Österreich, Tirol), weiter über den Fernpass, Imst, Reschenpass in weniger als vier Stunden (270 km). Von München aus fährt man über den Brenner in vier Stunden (312 km) nach Algund. Von Algund ins sechs Kilometer hoch gelegene Vellau windet sich eine schmale, kurvenreiche Bergstraße. Von Vellau aus gibt es eine gute Busverbindung hinunter nach Meran, von dort fahren regelmäßig Busse in alle Täler Südtirols. Kostenlos sind die Bus- und Bahnverbindungen in Südtirol mit der Gästekarte.

 

Residenzen Vellauerhof, Vellau 32, I-39022 Algund (BZ), Tel. 0039/0473/448544, Ferienwohnung ab 82,00 € pro Tag, www.vellauerhof.com

 

Gasthof Oberlechner, Vellau 7, I-39022 Algund (BZ), Tel. 0039/0473/448350, www.gasthofoberlechner.com

 

Gasthaus Gasteiger, Vellau 13, I-39022 Algund (BZ), Tel. 0039/0473/448532, www.gasteiger.it

 

Dort, wo es wenig Niederschlag gibt, wird zusätzliche künstliche Bewässerung von Feldern mit Obst und Weintrauben notwendig. Dies geschieht in Südtirol mit sogenannten Waalen, dessen Wasser aus den Höhen kommt und in schmalen Rinnen mit leisem Gurgeln, munterem Plätschern und verhaltenem Rauschen dahinfließen. Begleitet werden sie von Wanderwegen, den Waalwegen, mit wunderbaren Aussichten.

 

Tipp: Nostalgischer Sessellift von Algund nach Vellau, weiter im nostalgischen Korblift stehend zur Leiter Alm auf 1550 Metern Meereshöhe ins Zentrum des Naturpark Texelgruppe mit gut beschilderten Wanderwegen.

 

Weitere Infos im Tourismusbüro, Hans-Gamper-Platz 3, I-39022 Algund bei Meran(BZ), Tel. 0039/0473/448600, www.algund.info/de/willkommen.html