Bergamo

Bergamo, die verkannte Schönheit

Sie bewahrt mit der modernen Unterstadt "Città Bassa" und der geschichtsträchtigen Oberstadt "Città Alta" eine Fülle an Kunst- und Bauwerken auf, die Zeugen einer bewegten Vergangenheit sind.

Bergamo, Porta San Giacomo Lorenzo bedauert, dass die meisten Touristen auf dem Flughafen von Bergamo ankommen und gleich weiter reisen zur naheliegenden Millionenstadt Mailand oder zu Zielen in der Oberitalienischen Tiefebene.

"Dabei ist es nur einen "Katzensprung" vom Flughafen Orio al Serio bis in die Innenstadt", meint Lorenzo. "Und", dabei erheben sich seine Augenbrauen, "Bergamos reiches historisches und architektonisches Erbe ist geradezu ideal für einen kurzen Städtetrip". Dann erfüllt er seiner kleinen Tochter Simona an einem Stand mit Süßigkeiten ihren Wunsch: Einen mit Liebesperlen gefüllten Spazierstock mit einer kleinen Kinder-Lok. Stolz schiebt sie die Lok über das Pflaster Bergamoder Piazza Vittorio Veneto hinüber zum Torre der Caduti, dem Gefallenenturm in der Città Bassa, der Unterstadt von Bergamo. Am Partisanendenkmal, das der Bildhauer Giacomo Manzü seiner Geburtsstadt Bergamo 1977 zum Geschenk machte, schaut Simona kurz hinüber. Es ist den Leiden der Partisanen und ihren Kämpfen im Zweiten Weltkrieg gewidmet. Dem kleinen Mädchen fällt nur auf, dass die Füße der Frau mit Stacheldraht zusammengebunden sind und sie kopfüber hängt. In diesem Augenblick sieht sie ihre Mutter Bergamo, PartisanendenkmalClaudia, die mit Einkaufstaschen bepackt aus der benachbarten fußläufigen Einkaufsstraße "Via XX Settembre" zu ihnen stößt. Vereint geht es bis zu der Stelle, an der der Bus auftaucht, mit dem beide von der Unterstadt in die Oberstadt - der " Città Alta" - fahren wollen. Da nimmt ihre Mutter ihre neue Errungenschaft an sich und das Kind beginnt, aus Leibeskräften zu schreien.

Minuten später ist wieder Ruhe eingekehrt. Der Bus eingetaucht im allgemeinen Straßenverkehr, der Blick folgt ihm auf der kilometerlangen Prachtstraße "Viale Vittorio Emanuele" und wandert hinauf zu der auf einem Hügel verschanzten Altstadt. Dort bleibt er hängen an der mächtigen, über fünf Kilometer langen venezianischen Mauer aus dem 16. Jahrhundert und der spektakulären Porta San Giacomo. Sie ist der Eintritt in ein einzigartiges Bergamo, Città Alta Kunstwerk, das zu Fuß erkundet werden will, um seine ganze Schönheit erfassen zu können. Autos sind zwar zu bestimmten Zeiten zugelassen, aber alle wichtigen Sehenswürdigkeiten der "Città Alta" – einem Schmuckstück aus dem Mittelalter – sind zu Fuß gut zu erreichen. Als Wahrzeichen thront der weithin sichtbare Glockenturm Campanone über diesem historischen Kleinod.

Die norditalienische Stadt Bergamo im Herzen der Lombardei ist eine Stadt, in der sich das Gallische mit dem Römischen und Lombardischen vereinigen. Ab dem 15. Jahrhundert erlebt sie vierhundert Jahre lang unter venezianischer Regentschaft eine Zeit des Friedens und des Wohlstandes.

Zurück zur Prachtstraße "Viale Vittorio Emanuele" mit den prächtig großen Steingebäuden. Deren Ende am Fuße des gewaltigen Hügels krönt die mächtige Stadtmauer. Von hier aus gibt es genau drei Optionen, die ganz unter Denkmalschutz stehende "Citta Alta" zu erforschen: Mit dem Airportbus - einfach, aber unromantisch. Sich mit der Funicolare – der Standseilbahn von 1912 – die 85 Meter Höhenunterschied bei einem Gefälle um die 52 Prozent bis zur südlichen alten Oberstadt, der Piazza Mercato delle Scarpe, hinauf ziehen zu lassen - bequem. Die Bergamo, Città Alta fraglos schönste Art sich diesem Altstadtjuwel zu nähern, ist und bleibt aber der Aufstieg zu Fuß. Viele Wege führen hinauf. Der kürzeste und wohl eindrucksvollste Steilanstieg befindet sich linker Hand der Talstation der Funicolare. Da nähert man sich der mächtigen Befestigungsanlage würdevoll und begreift die damalige bedeutende Innovation, die Mauern nicht geradlinig, sondern im Zickzack zu bauen. In deren Winkeln wurden Bollwerke errichtet, durch die man einen Angreifer in die Flanke getroffen hätte. Ein Glücksfall, dass sich diese Befestigungsanlagen niemals bewähren mussten.Bergamo, Porta San Giacomo

Ist der Steilaufstieg vollbracht, steht der staunende Besucher auf altem Kopfsteinpflaster vor dem zweifellos spektakulärsten aller Mauertore, der Porta San Giacomo, das 1592 nach einem Entwurf vom Militäringenieur Bonaiuto Lorini entworfen und mit rosa-weißem Zandobbio Marmor kunstvoll errichtet wurde.

Von hier aus winden sich die Straßen weiter hinauf durch mächtige Häuserschluchten aus warmem Sandstein bis zur Piazza Vecchia. Am Wegesrand bieten sich reichlich Gelegenheiten zur Rast, um sich die hiesigen kulinarischen Köstlichkeiten der Polenta-Spezialitäten mit einem guten Glas Rotwein aus der Region munden zu lassen. Den Nachtisch des Biskuitkuchens "Polenta e Osei" sollte man sich nicht entgehen lassen.Bergamo, Polenta e Osei

Um die Piazza Vecchia – das Herzstück der historischen Stadt –  richtig zu genießen, braucht es einen ersten Überblick. Den bekommt der Besucher, wenn er sich mit einem Aufzug auf den 54 Meter hohen Campanone, Glockenturm, hochtragen lässt. Nur Vorsicht: Zu jeder vollen Stunde läutet die mächtige Glocke unmittelbar über den Besucherköpfen, was nicht jedes Ohr Bergamo gut verträgt. Kündigte sie doch im Mittelalter die Einberufung jeder Gemeinderatsversammlung an. Im Jahre 1943 wurde sie vor den deutschen Besetzern gerettet, die sie zur Kanonenherstellung einschmelzen wollten.

Von diesem grandiosen Ausblick wollen die Augen gar nicht mehr lassen. Sie suchen tief unten die harmonische Piazza Vecchia mit Brunnen, prachtvollen Fassaden und Bogengängen ab. Studieren die reich verzierte Fassade der Cappella Colleoni und das Nordportal der BasilikaBergamo Santa Maria Maggiore. Wandern hoch zur vergoldeten Statue des Heiligen Alexanders auf der Domkuppel und verlieren sich tief unten in der Prachtstraße "Viale Vittorio Emanuele" der "Città Bassa". Dabei kommen die traurigen Augen der kleinen Simona wieder ins Gedächtnis, die ihren Spazierstock mit der Lokomotive abgeben musste.

Gerd Krauskopf

 

Weitere Informationen:

 Italienische Zentrale für Tourismus (Enit), Barckhausstr. 10, 60325 Frankfurt, Tel. 069/237434, www.enit.de

 Flüge: Jeweils mit Ryanair ab 37,48 Euro von/bis Köln/Bonn. Ab/bis Berlin Schönefeld 31,98 Euro. Ab/bis Bremen 56,98 Euro.

Stadtfahrt: Vor dem Flughafengebäude Orio al Serio fährt der Airport Bus "1A, Città Alta" ab. Die Fahrt kostet 2,30 Euro und dauert bis zur Endstation in der Altstadt 30 Minuten. Von hier sind alle Hotels in der Citta Alta gut mit Koffer zu erreichen.

 

Übernachten (Preise pro Zimmer): Zwei-Sterne-Hotel Agnello D`Oro, Via Gombito 22, Bergamo Alta, 24129 Bergamo, Italien, Tel. 0039 035 249883, www.agnellodoro.it, ab 69 Euro. Vier-Sterne-Hotel Casa Mario Lupo, Via Mario Lupo, 12, 24129 Bergamo BG, Italien, Tel. 0039 035 247046, www.casamariolupo.it, ab 89 Euro. B&B La Torretta di Via Tassis, II, di, Via Vittorio Emanuele, 9, 24040 Marne BG, Italien

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mTelefon:+39 349 458 1612, www.latorremedioevale.it, ab 90 Euro.

Speisen: Bergamo ist bekannt für seine verschiedenartigen Polenta-Gerichte. Besonders der Biskuitkuchen "Polenta e Osei".