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Westküste

Mit einer betagten Lady

Finnlands Westküste hinauf

 MS Oulu, Finnland

Eng umschlungen wirft das glückliche Brautpaar vom Riesensofa-Rücksitz ihres offenen Oldtimer-Straßenkreuzers den winkenden Menschen einen verliebten Blick zu, während das schneeweiße Blechmonster mit seinem V8-Motor langsam blubbernd über das holprige Kopfsteinpflaster mit den beidseitig bunten Holzhäusern der Kuninkaankatu, der Haupteinkaufsstraße von Rauma, gleitet.

Finnland, Raums, HochzeitspaarDabei kommen sie gerade von ihrer Trauung aus der kleinen Heiligkreuzkirche, die im 15. Jahrhundert nach der Christianisierung von Franziskaner-Mönchen wahrscheinlich auf einer heidnischen Kultstätte gebaut wurde. Jetzt lässt sich das glückliche Paar an diesem lauen finnischen Sommertag durch diese dicht bebaute Altstadt chauffieren, deren gepflasterte Straßen im Winter teilweise von unterirdischen Warmwasserrohren eisfrei gehalten werden. Seit 1991 gehören die 600 gut erhaltenen Holzhäuser der drittältesten Stadt Finnlands (1442) zur UNESCO-Liste des Weltkulturerbes.

Finnland, Westküste, RaumaUrige Läden inmitten feinster Inneneinrichtungen, Cafés, Restaurants und Kunst lassen uns die Zeit in der Meeres- und Schärenstadt am Bottnischen Meerbusen an der Ostseeküste fast vergessen - und dass unsere MS Oulu bereits zum Rückzug zwingt. Dabei bin ich erst gestern mit meinen Freunden Tina und Daniel und deren beiden kleinen Mädchen Meri und Suvi auf der Südwestfinnischen Schäreninsel Korpo an Bord des 50 Jahre alten Schiffes gekommen, das zur Überholung in einer Werft bei Turku gelegen hat und uns jetzt ein großes Stück seines Weges zum Heimathafen nach Oulu mit nimmt.

Finnland, Westküste, MS OutuEigentlich sollte die alte Schiffslady bereits seit dem Jahre 2008 im Schiffshimmel sein. So wollte es die finnische Marine damals, als sie ihr Boot von ihrer Grenze zu Russland abzog, wo es im kalten Krieg vor St. Petersburg als Spionageschiff patrouillierte. Tag und Nacht horchten damals 12 Spezialisten mit ihren Kopfhörern aus einem topp geheimen Raum der heutigen MS Oulu heraus um alles aufzuzeichnen, was sie vom großen Nachbarn mitbekamen. Auch wurde nach fremden U-Booten gelauscht.

Die Verschrottung eines solchen stolzen, funktionsfähigen Bootes führte damals eine handvoll alter, gestandener Seebären auf den Plan. Sie gründeten kurzerhand einen Verein und bekamen das Boot zu einem symbolischen Preis von 2 Euro mit der Auflage, dass sie es nicht Finnland, MS Ouluweiter verkaufen dürfen. „Das hatten wir auch nicht vor,“ erzählt Kapitän Pentti Auranaho, während er mit einem kleinen Joystick sein Boot auf Kurs hält. Nur wenn die Elektronik mal ausfällt, erzählt er mit Blick auf das hölzerne Steuerrad, werde es noch gebraucht. Heute hat der Verein über 100 „alte, verrückte Seemansleute“, wie sie sich selber bezeichnen, von denen Finnland, Uusikaupunki, Bonk Museumviele täglich an ihrer MS OuluFinnland, Westküste, Uusikaupunki arbeiten, wenn sie im Heimathafen liegt. „Der Verein hat zwar einige Kapitäne,“ meint Pentti Auranaho grinsend, „aber nur ich habe mein Kapitänspatent noch nicht abgegeben.“ Und so haben sie ihn mit seinen 75 Jahren kurzerhand verpflichtet, die MS Oulu zu fahren, was für ihn auch eine regelmäßige körperliche und geistige Kontrolle bedeutet.

Uusikaupunki war dann gestern in später Nacht unser erster Stopp, nachdem  sich die autoproduzierende Stadt, in der Porsche und Mercedes  ansässig sind,  von weitem mit Rauchwolken aus mächtigen Schornsteinen ankündigte. Wie wir dann heute Vormittag nach guter Schiffs-Nachtruhe zur Stadtbesichtigung aufbrachen, empfing uns nach kurzem Fußmarsch eine Stadt mit schachbrettförmigen Holzhäuserblocks im Empire-Stil. Am Marktplatz lauschten wir lange einem Akkordeonspieler mit seiner finnischen Musik, der die Besucher dieses kleinen Marktes von einem Podest aus Finnland, Uusikaupunkiunterhielt. Während alle ihren gemütlichen Einkäufen nachgingen, zog es uns ins Bonk-Museum mit seinen völlig nutzlosen Maschinen. Zurück auf unserem Schiff brachte uns  unser Smutje Keijo Koljonen mit seiner guten Hausmannskost zum Schwelgen.

Nach Besichtigung der Weltkulturerbe-Stadt Rauma haben wir jetzt alle Zeit der Welt. Da muss unsere alte Lady Oulu mit ihrem großen Tiefgang weit hinaus in den Bottnischen Meerbusen, Finnland, MS Ouluum die Fahrrinnen zwischen den Untiefen genau einzuhalten. Wie dann in weitem Abstand die Schäreninseln am Horizont zu sehen sind, da macht die Dünung unserem Boot und einigen empfindlichen Mägen ganz schön zu schaffen.

Nach langer, eintägiger Fahrt hinauf in den nördlichen Teil der Ostsee nutze ich die Zeit, um Mauri, den stets freundlich lächelnden Chefingenieur tief unten im Maschinenraum mit gutem Gehörschutz zu besuchen. Zurück an Deck erzählt der gestandene Harley-Fahrer aus seinem Finnland, MS OuluLeben. Mit 22 Jahren war er als Bordmaschinen-Lehrling auf dem Weg von New York nach Nigeria unterwegs, als im Maschinenraum Feuer ausbrach. Wie er dann schreiend zu seinen Kameraden in den Aufenthaltsraum gestürzt kam, da haben die ihn nur ausgelacht und ihm zugeprostet: Es war der 1. April. Ein zufällig vorbeikommendes Schiff sah den Rauch und half.

Gegen Abend erreichen wir unser Etappenziel Kokkola in Mittelösterbotten. Hier, am nördlichsten Ende des finnlandschwedischen Gebietes, sprechen fast 14 Prozent der Bevölkerung ihre schwedische Muttersprache, was zur Folge hat, dass offiziell zwei Sprachen Finnland, Kokkolazugelassen sind. „Hier,“ so erfahren wir vom Frendenführer Arto Jokela, „war die Ostsee mal bis an den Kirchenhügel mit dem heutigen bäuerlichen Heimatmuseum inmitten der Stadt. Da kamen die Menschen von weit her und die Bärenjäger mussten ihre Gewehre im Holzvorbau der Kirche abstellen.“ Und wie er dann auf die Umgebung des Hügels zeigt, die einmal von Wasser umspült war, da erzählt er, dass ganz Finnland mal von riesigen Eismassen bedeckt war. „Durch den fehlenden Druck steigt die Erde um 58 Zentimeter in 100 Jahren, was zur Folge hat, dass sich das Meer immer weiter zurückzieht.“

Die letzte Nacht auf der Oulu hinauf nach Raahe in den nördlichsten Teil des Bottnischen Meerbusens, dem Bottenwiek, macht die Dünung noch einmal zu schaffen. Dafür entschädigt Finnland, Raahedie einstmals größte finnische Reedereistadt, die zwischen 1867 und 1875 stolze 58 mächtige Segelschiffe besaß, auch hier mit hübschen Holzhäusern. In einem von ihnen, dem ehemaligen Heuerhaus für Seeleute, dem Syömanshaus, dem heutigen Meeresmuseum Raahe, ist der Finnland, Raahe, ältester Taucheranzug der Weltälteste Taucheranzug Finnland, Westküsteder Welt „Wanha Herra“ - Alter Herr - ausgestellt. Diesen absolut wasserdichten Taucheranzug aus Schweinsleder, den ein alter Seebär 1860 mitgebracht hat, haben sie schon zur Expo nach Lissabon und nach Philadelphia ausgeliehen.

Wie dann Kapitän Pentti Auranaho an unserem letzten Tag an Bord seiner MS Oulu geht und wir ihm vom Kai aus nachschauen, da ist diese wunderbare Tour für uns zu Ende. Er wird sein Schiff sicher nach Oulu bringen, wie er seine betagte Lady mit ihrem großen Tiefgang in den vergangenen Tagen sicher an allen Untiefen vorbei navigiert hat. Im Dunklen scheinen die Hafenkräne noch mächtiger aufzuragen. Die Luft ist weich, fast samten. Die fitten alten Herren ziehen die dicken Schiffstaue ein, der Motor der Oulu heult auf, es rasselt, klopft und schnarrt. Bald wird die alte Lady mit den gestandenen Seebären hinter der Hafeneinfahrt verschwunden sein.

                                     Gerd Krauskopf

Infos:

Finnland, MS Oulu 

Weitere Informationen entlang der Westküste mit der MS Oulu bei fintouring: www.fintouring.de/rundreisen

Telefon 05135-929030,

 

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