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Siebengebirge

Rheinreise: Rolandseck, Rolandsbogen und Siebengebirge

SiebengebirgeWo einst die Reichen an der „Rheinischen Riviera“ ihre Sommerfrische verbrachten, Kaiser Napoleon ein besonderes Geschenk machte und feuerspeiende Drachen gelebt haben sollen

 

Von Gerd Krauskopf

 

Mit gefühlten 100 Stundenkilometern prescht der ICE durchs Museum mit Gleisanschluss. Ich bin kurze Zeit vorher mit der Regionalbahn aus Köln im Siebengebirgespätklassizistischen Bahnhof Rolandseck angekommen. Seine Erfolgsgeschichte begann, als die private Bonn-Cölner-Eisenbahngesellschaft ihre Strecke von Köln über Bonn-Bad Godesberg im Jahr 1858 bis Rolandseck verlängerte. Damit reduzierte sich die Reisezeit vom Ruhrgebiet bis zu diesem prachtvollen Bahnhofsgebäude von einer ganztägigen Kutschfahrt auf nur vier Stunden Zugfahrt. Rolandseck wurde somit zu einem der beliebtesten Reiseziele in Deutschland.Siebengebirge

 

Industrielle aus Köln, Düsseldorf, Krefeld und dem gesamten Ruhrgebiet bauten sich hier Villen und genossen die romantische Landschaft, die auch als „Rheinische Riviera“ bezeichnet wurde. Mittlerweile als zweigleisige linke Rheinstrecke ausgebaut, sollte der Bahnhof nach dem Zweiten Weltkrieg – da er nicht mehr bewirtschaftet wurde – abgerissen werden. Gerettet hat ihn der Bonner Galerist und Kunstsammler Johannes Wasmuth, der diesen Bahnhof zu einem Kunst- und Kulturzentrum gestaltete.

 

Auf der Terrasse des Restaurants „Interieur No.253“ im Obergeschoss des Bahnhofes macht der wunderbare Blick über den Rhein hinüber nach Bad Honnef den Kaffeegenuss perfekt. Mächtige alte Bäume versperren zum Teil den Blick Siebengebirgehinüber ins Siebengebirge. Hier habe ich mich mit Loana Oyeniran verabredet. Sie arbeitet im Arp Museum Bahnhof Rolandseck als wissenschaftliche Volontärin und bringt – wie ich schnell merke – besondere Erfahrungen als Künstlerin und Kuratorin aus anderen Museen mit, in denen sie sich mit Ausstellungskonzepten und neuen Sichtweisen auf Kunst und Kultur beschäftigt hat.

 

Von ihr erfahre ich, dass ungezählte prominente Gäste wie unter anderem die britische Königin Victoria, Otto von Bismarck, die Brüder Grimm und Friedrich SiebengebirgeNietzsche im Bahnhof Rolandseck zu Besuch waren. Danach stiegen sie hier von dieser Endstation der Bonn–Cölner-Eisenbahn nur ein paar Schritte unterhalb des Bahnhofs auf ein Dampfschiff, um anschließend den Rhein hinauf oder hinab wieder nach Hause zu reisen.

 

Die riesigen Räumlichkeiten im Haupteingang des Arp Museums wurden ursprünglich als Remise genutzt, in der die Pferde versorgt und Kutschen untergestellt wurden. Über einen zweiläufigen Treppenaufgang gelangen wir in die erste Etage des Museums. Hier empfängt uns die Ausstellung „Das sind meine modernen Frauen“ mit Porträts von Paula Modersohn-Becker, die größtenteils Anfang des 20. Jahrhunderts in Worpswede entstanden sind. Im Zentrum der Ausstellung stehen spektakuläre, zum Teil lebensgroße Aktdarstellungen Modersohn-Beckers.

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Verbunden ist das Bahnhofsgebäude, das als großartiges Beispiel preußischer Baukultur aus der Gründerzeit der deutschen Eisenbahn ein bedeutendes Kulturdenkmal darstellt, mit dem 2007 eröffneten genialen Museumsneubau des US-Architekten Richard Meier, einem der weltweit wichtigsten Architekten für den zeitgenössischen Museumsbau. Die Besucher wandeln durch eine spannende unterirdische Architekturpassage mit der Lichtskulptur „Kaa, die Schlange“ von Barbara Trautmann auf die andere Seite der Gleise zur modernen dreigeschossigen weißen Höhenburg, die mit 2500 Quadratmetern Ausstellungsfläche mittlerweile zu einer festen Größe in der nationalen und internationalen Museumsszene zählt. In diesen riesigen, lichtdurchfluteten Räumen kommen die derzeitigen Werke der

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belgischen Bildhauerin Berlinde De Bruyckere in der Wechselausstellung „PEL / Becoming the figure“ wunderbar zur Geltung. Die oberste Etage ist den abstrakten Kunstwerken von Hans Arp und seiner Frau Sophie Taeuber-Arp – die als Pioniere zu den bedeutendsten Künstlern der Avantgarde des 20. Jahrhunderts zählen – gewidmet.

 

Mittlerweile ist es Mittag und ich verabschiede mich von Loana Oyeniran, die mich mit ihren frisch klingenden Informationen in ihren Bann gezogen hat. Dann lasse ich mich von einem Taxifahrer über den benachbarten Ort Bonn-Mehlem hinauf zum Rolandsbogen chauffieren. Dort, wo im Juni 1999 US-Präsident Bill Clinton mit Gattin Siebengebirgevon Bundeskanzler Schröder mit traumhaftem Blick aufs Siebengebirge zum Umtrunk und anschließendem Essen eingeladen worden war, speise auch ich köstlich gut, vor der Sonne geschützt, im Wintergarten. Zurück nehme ich den schattig bewaldeten, steilen Fußweg hinunter nach Rolandseck. Begleitet werde ich von zirpenden Grillen und irgendwo singt eine Lerche. Allein auf weiter Flur ist diese Leere hier ein Luxus für mich, dem in den Großstädten die Luft zum Atmen ausgeht.

 

Unten angekommen, kreuzt mein Weg den gut befahrenen Rheinradweg kurz vor der Rheinfähre „Siebengebirge“. Sie bringt mich hinüber nach Bad Honnef. Und genau hier unter einem stahlblauen Himmel mit dünnen, weißen Federwolken auf der Mitte Siebengebirgedes Rheins verlasse ich Rheinland-Pfalz und komme in Nordrhein-Westfalen an. Von dort ist es nur ein kleiner Spaziergang zur Straßenbahn der Linie 66, die mich in zwölf Minuten nach Königswinter – vor die mächtige Kulisse des Siebengebirges – bringt.

 

Vulkanische Kräfte aus dem Innersten der Erde waren es, die vor 30 Millionen Jahren das Siebengebirge formten. Das flüssige Magma kam nicht an die Erdoberfläche und blieb in Röhren stecken. Das daraus entstandene vulkanische SiebengebirgeTrachyt nutzten bereits die Römer, später karrte man Stein für Stein ins nahegelegene Köln zum Bau des Kölner Doms. Die Pferdefuhrwerke rollten mit der schweren Fracht noch bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges aus den Steinbrüchen durch die tiefen Wälder.

 

Der Hitze geschuldet entscheide ich mich heute hoch zum Drachenfels für die älteste Zahnradbahn Deutschlands, die seit 1883 die Besucher auf den 320 Meter hohen Gipfel des Drachenfelsens befördert. Da ich diesen Weg schon oft zu Fuß hinauf gegangen bin, entdecke ich bei geöffnetem Wagenfenster die Nibelungenhalle hinter Siebengebirgeden Bäumen. Dort, an diesem mystischen Ort, ist die Legende um Siegfried, den Drachentöter zu sehen. Der Sage nach soll auf dem Drachenfels ein Drache gehaust und Ausschau nach Schiffen gehalten haben. Kamen sie ihm zu nahe ans Ufer, spie er angeblich Feuer, um sie zu vernichten.Siegfried soll ihn hier erschlagen und anschließend in seinem Blut gebadet haben, um Unverwundbarkeit zu erlangen. Was ihm bekannterweise nicht so ganz gelang.

 

Und weiter geht's. Am frisch renovierten Schloss Drachenburg auf guter halber Höhe zum Gipfel, an dem auch die Zahnradbahn einen Halt macht, lege ich eine Pause für Siebengebirgeeinen Rundgang ein. Dabei lese ich, dass den repräsentativen Wohnsitz Stephan von Sarter 1884 erbauen ließ, den Außenbereich im Stil des Historismus und im Inneren im Stil der Neorenaissance. Jedoch soll er in seinem Prachtschloss nie gewohnt haben.

 

Oben am neu gestalteten Gipfelplateau des Drachenfelsens mit der Burgruine angekommen, habe ich bei klarer Sicht über den Rhein einen guten Blick bis weit in den Westerwald und in die Eifel. Dabei wandert mein Blick zurück zum Rhein mit seinem derzeitigen Niedrigwasser, dessen Steinbuhnen weit ins Flussbett ragen. Auf der langgezogenen Insel Nonnenwerth verharrt mein Blick lange. Das altehrwürdige Kloster auf der Insel hat eine sehr lange Geschichte, die bis ins Jahr 1804 zurückgeht. Zu dieser Zeit war Kaiserin Joséphine unterwegs im Rheintal und dermaßen beeindruckt von diesem Kloster, dass sie spontan dort übernachtete. SiebengebirgeDabei erfuhr sie von den Schwestern, dass alle Klöster aufgehoben werden sollten. Sie bestärkte die Schwestern, sich direkt an Napoleon zu wenden, der zwei Tage später durch sein Departement Rhin et Moselle von Bonn nach Koblenz reise. So trug die Klostervorsteherin in formvollendeten Französisch ihre Herzensbitte vor und übergab Napoleon das schriftliche Bittgesuch. Der beeindruckte Kaiser nahm das Schriftstück an sich und bestimmte per Dekret nicht nur, dass das Kloster bestehen bleiben soll, sondern schenkte dem Konvent auch die ganze Insel. So entging das Kloster dem Klostersturm.

Siebengebirg Auf der Rückfahrt mit der Zahnradbahn fällt der Blick nach rechts zum Petersberg. 1892 entstand dort mit großer Außenterrasse ein Hotel, das nach dem Zweiten Weltkrieg von 1949 bis 1952 als Sitz der Alliierten Hohen Kommission genutzt wurde. Nach umfassendem Umbau dient das Grandhotel seit 1955 als Gästehaus der Bundesrepublik Deutschland.

 

Mit einem schönen Sonnenuntergang verlasse ich die „Rheinische Riviera“ mit der Regionalbahn vom Bahnhof Königswinter. Hier prescht kein ICE durch einen Kulturbahnhof, sondern rattern schier endlos lange Güterzüge.

 

Weitere Informationen:

Arp Museum Bahnhof Rolandseck, Hans-Arp-Allee 1, 53424 Remagen, Tel. 02228/94250, www.arpmuseum.org

Rolandsbogen, Restaurant & Terrasse mit Rheinblick, Rolandsbogen 0, 53424 Rolandswerth, Tel. 02228/372, www.rolandsbogen.de

Rheinfähre Königswinter, an Werktagen von 5.45 Uhr bis 21.45 Uhr, an Samstagen, Sonn- und Feiertagen von 7.45 Uhr bis 21.45 Uhr, www.faehre-koenigswinter.de

Tourismus Siebengebirge, Drachenfelsstraße 51, 53639 Königswinter, Tel. 02223/917711, www.siebengebirge.de

 

 

 

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