Churfranken, Genusswochenende

Churfranken: Ein Genusswochenende vergeht am Main wie im Flug 

Churfranken 

Für kleine Auszeiten lockt Unterfrankens Region zwischen Spessart und Odenwald mit vielen Überraschungen

 

Von Gerd Krauskopf

 

Pilot Peter Duffeck macht sein einmotoriges Flugzeug startklar. Während der erfahrene Pilot noch einige kleine Hebel umlegt, heult der Motor auf, und die französische Maschine vom Typ ChurfrankenRobin DR 400 nimmt Fahrt auf. Im Nu hebt das Sportflugzeug von der Rollbahn des 482 Meter hoch gelegenen Flugplatzes Mainbullau oberhalb der Stadt Miltenberg ab. Schnell gewinnt die Maschine an Höhe, und aus der Glaskanzel ist der tief eingeschnittene Verlauf des Mains zwischen den waldreichen Höhen von Spessart und Odenwald zu sehen.Churfranken

 Über Kopfhörer und Mikrofon unterhalte ich mich mit dem Piloten. Von ihm erfahre ich, dass der Name „Churfranken“ von findigen Touristikexperten stammt. Im Jahr 2007 kamen sie auf die Idee, der westlich ausgerichteten Region Frankens zwischen dem Mainknie bei Wertheim und Aschaffenburg diesen unverwechselbaren Namen zu geben. Zu diesem nur 60 mal 20 ChurfrankenKilometer großen Gebiet im Maintal gehören 25 Gemeinden. Ich lasse mich einfangen von den spektakulären Aussichten auf die churfränkischen Weinlagen mit ihren weltberühmten Spätburgundern. Aus der Vogelperspektive genieße ich den ungewohnten Ausblick auf die kleinen Städtchen. Beim Rückflug überfliegen wir noch einmal Miltenberg mit der Mildenburg und dem Marktplatz, eingerahmt von prächtigen Fachwerkhäusern. Im großen Bogen steuert Peter Duffeck seine Maschine in Richtung Landebahn und setzt gekonnt auf.

 

Mittags proste ich bei einer Sektverkostung in Bürgstadts Churfranken-Vinothek dem routinierten Piloten in Gedanken zu und freue mich über den gelungenen Auftakt eines Genusswochenendes in Churfranken. Abends zaubert Küchenchef Ralf Restel im ChurfrankenGroßheubacher Gasthaus „Zur Krone“ mit regionalen Zutaten. Seine Gattin, Weinsommelière Niki Restel, kredenzt dazu passende Tropfen aus den Buntsandsteinlagen der Region. In stilvollem Ambiente genieße ich feine Bratensülze, gebackene Garnele auf Avocado, Maishähnchenbrust mit frischen Pfifferlingen und Nudeln sowie Crème Brûlée mit Himbeersorbet als krönenden Abschluss.

 

MILTENBERGS VERBORGENE SCHÄTZE

Der Samstag ist Miltenberg, der „Perle am Main“, gewidmet. Gebucht habe ich eine Stadtführung unter dem Motto „verborgene Schätze“, die am Marktplatz mit der berühmten Fachwerkzeile „Schnatterloch“ beginnt. In der Backstube der 1753 gegründeten ChurfrankenTraditionsbäckerei Hench hält Sabine Hench ein riesiges rundes, vier Kilogramm schweres Klosterbrot in der Hand. Ihr „Großes“, wie sie das mit Gewürzen verfeinerte Roggenbrot nennt, wird täglich frisch ohne Hefe aus Natursauerteig gebacken. Im Gegensatz zur Fabrikware, so die Bäckerin, mache die lange Teigruhe das Brot besonders gesund. Dafür beginnt die Arbeit in der Backstube bereits um drei Uhr morgens.

 

Ein kleines Stück Brot mit knackiger Kruste und würzigem Aufstrich kauend, geht es zurück in die Historie, zum Hexenwahn ins Mittelalter. Vor 500 Jahren wurden in Miltenberg zahlreiche Frauen wegen des Verdachts der Hexerei hingerichtet. In einem Hinterhof an der Stadtmauer im mittelalterlichen Kern zeigt Stadtführerin Dorothea Zöller ein winziges Hexenhäuschen, wo die angeketteten Frauen nicht einmal stehen oder liegen konnten. „Vorwiegend waren es reiche Frauen, denn sie mussten für alles, zum Beispiel für das Stroh, auf das sie gebettet waren, ChurfrankenEssen, Gerichtskosten auch noch selber bezahlen. Arme Frauen wurden dagegen seltener angeklagt“, berichtet die Stadtführerin. Eine entsprechend vermögende Frau konnte sich einen Genickbruch erkaufen, um sich die Qualen auf dem Scheiterhaufen oder auf Streckbank zu ersparen. Seinerzeit galt der Spruch: Man solle dehnen, bis die Sonne durch den Körper scheint. So zählte das Amt Miltenberg mit seinen damals 6500 Einwohnern und über 200 Hinrichtungen zu den Hochburgen des Hexenwahns in Deutschland.

 

Mich gruselt es noch ein paar Schritte weiter zwischen Stadtmauer und Burgweg auf dem Weg zum jüdischen Friedhof. Dieser zeugt davon, dass einst jüdische Mitbürger viel zum kulturellen Churfrankenund wirtschaftlichen Leben Miltenbergs beigetragen haben. Um die schief und krumm stehenden Steine herum, deren althebräische Inschriften kaum noch lesbar sind, steht das Gras einen guten halben Meter hoch. Ab und an sollen hier amerikanische und australische Juden nach ihren Vorfahren suchen.

 

Vor der Sankt-Jakobus-Kirche wartet Messner Martin Winkler auf uns. Zum Zeigen einer Besonderheit führt er uns in den zweiten Stock des Südturmes. Dort ist ein seltenes, großes Uhrwerk mit der Turmuhr verbunden. „Das komplizierte Uhrwerk wurde 1876 mit großen und Churfrankenkleinen Zahnrädern von der Turmuhrenfabrik Johann Mannhardt geliefert und läuft bis heute noch tadellos pünktlich“, freut sich der Messner. Dafür muss er sie täglich aufziehen und das gute Stück alle zwei Tage ölen.

 

Nach dem typischen Ticktack freuen wir uns auf ein kühles Bier in dieser vom Weinbau geprägten Landschaft. Ideal dafür ist die Privatbrauerei Faust, in der vierten Generation von Johannes Faust geleitet. Nach dem Besichtigen von Brau- und Sudhaus lädt er uns zu einem ChurfrankenBier-Tasting auf der Terrasse über den Altstadtdächern ein. Unter stahlblauem Himmel genießt dort jeder ein Fläschchen Bier, das er sich im Keller aussuchen durfte. „International sind wir völlig unbedeutend, national eher zweitrangig, lokal der Hammer“, kommt Johannes Faust ein flotter Spruch über die Lippen. Wie recht er damit hat!

 

EINE RÖMERSTADT UNTER DER STADT OBERNBURG

Am Sonntag bin ich mit Eric Erfurth in Obernburg, der einstigen Römerstadt am heutigen Unesco-Welterbe Limes, verabredet. Standesgemäß empfängt er mich vor dem Römermuseum in seiner Römerkluft. Das kleine Städtchen mit den mittelalterlichen Fachwerkhäusern, fünf gotischen Wehrtürmen und zwei Stadttoren macht einen quirligen Eindruck. Der „Römer“ schlängelt sich elegant um die parkenden Autos herum und erntet manch irritierten Blick von Autofahrern. Derweil erfahre ich , dass die Römer im Jahre 83 hier am Limes das Kastell Churfranken„Nemaninga“ errichtet haben. Der Main diente als natürliche Grenze zu den Alemannen. „Hier, in der Altstadt“, erklärt Erfurth, „verlaufen die Straßen heute gute zwei Meter über denen des damaligen Kastells.“ So säumen heute viele Fachgeschäfte, Cafés und Gaststätten die Römerstraße, einst Via Principalis, und die Via Praetoria heißt Badgasse. Ähnlich Pompeji, wo der Ascheregen eines Vulkanausbruchs einst die Stadt konservierte, sorgten von einem Berg herabgeschwemmte Lehmmassen in Obernburg für ein „Pompeji am Main“.

 

Die Zeit verfliegt. Gerade noch stand ich mit Eric Erfurth vor der Jupitergigantensäule, die 2015 in einer Baugrube zum Vorschein kam. Der Fachmann berichtet stolz, dass sie als erste komplett erhaltene Säule aus dem späten 2. oder frühen 3. Jahrhundert stammt. Und nun bin ich bereits auf dem Rückweg Richtung Autobahn, die ich am Anfang aus der Glaskanzel des Sportflugzeuges von Pilot Peter Duffeck aus der Vogelperspektive gesehen habe. Es bleibt die Erkenntnis, dass diese Genussregion noch viel mehr zu bieten hat. Also wird’s unbedingt ein Wiedersehen geben.Churfranken

 

Weitere Informationen:

Churfranken, Mainstraße 83, 63897 Miltenberg, Tel. 09371/6606975, www.churfranken.de

Anreise: Von Norden Bundesautobahn A3 bis Ausfahrt Stockstadt, weiter auf der B469 Richtung Miltenberg, von Süden A3 bis Marktheidenfeld, weiter auf der B8 Richtung Miltenberg; per Bahn und Bus sind alle Churfranken-Orte via Aschaffenburg-Hauptbahnhof oder Obernburg-Elsenfeld erreichbar.

Rundflüge: Flugsportclub Miltenberg, Flugplatz 3, 63897 Miltenberg, Tel. 09371/3363, www.edfu.de, eine Pers. ab 40 Euro, bei gemeinsamer Buchung zwei ab 55 und drei ab 80 Euro.

Miltenberg Info, 3 Am Main”, Engelplatz 69, 63897 Miltenberg, Tel. 09371/404119, www.miltenberg.info, Stadtführungen ganzjährig um 14 Uhr im täglichen Wechsel, www.miltenberg.info/stadtfuhrungen-erlebnisse

Die Römerstadt Obernburg, Römerstr. 62-64, 63785 Obernburg, Tel. 06022/619117, www.obernburg.de: Sonntags um 14 Uhrführt der Förderkreis Mainlimes-Museum regelmäßig 1,5-stündige Römische Stadtführungen durch, Treffpunkt am Römer Museum, Untere Wallstraße 29a, 63785 Obernburg. Individuelle Stadt- und Museumsführungen sind zum Wunschtermin buchbar bei der Stadt,www.obernburg.de/freizeit-tourismus/fuehrungen

Unterkunft: Zum Beispiel Adler Landhotel, Hauptstr. 30, 63927 Bürgstadt, 135 Euro ÜF/DZ, Tel. 09371/97880, www.adler-landhotel.de: