Mittelrhein

 

Schlossgärten am Mittelrhein:

Lenné ganz nah

 

Schloss Stolzenfels  

Lüstern muss es seinerzeit auf den Schlössern zugegangen sein. Da schaute die Dame hinter ihrem wedelnden Fächer ihrem Auserwählten vornehm zurückhaltend in die Augen. Und wenn dann noch das kleine Schönheitspflaster, das normalerweise auf der Wange platziert war, hinunter rutschte, gar unterhalb des lächelnden Mundwinkels, dann wusste der Herr, was zu tun war.

Schmunzelnd muss ich gerade daran denken, wie ich Schloss Stolzenfels von den Rheinauen im Blickfeld habe. Dabei ist das neugotische Schloss gegenüber der Lahnmündung nach den Entwürfen vom preußischen Baumeister Karl Friedrich Schinkel auf den Resten einer Burg aus dem 13. Jahrhundert erbaut worden.

Begleitet wird unsere kleine Gruppe von Thomas Metz, dem Leiter der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz und der Kunsthistorikerin, Frau Dr. Rita Hombach.

Im heutigen Welterbegebiet „Oberes Mittelrheintal“ beauftragte König Friedrich Wilhelm IV. im Jahre 1842 den genialen preußischen Gartenarchitekten Peter Joseph Lenné, die komplizierten Gartenanlagen zu gestalten, die sich vom Rheintal bis hinauf zum Schlossberg in fünf völlig unterschiedlichen Gartenanlagen erstrecken.

„Noch heute zählt Schloss Stolzenfels kunst- und kulturhistorisch zu den bemerkenswertesten Leistungen preußischer Rheinromantik des 19. Jahrhunderts,“ bemerkt Frau Dr. Hombach stolz. Und da das gesamte Gelände sehr stark zugewachsen war, die ehemaligen Stauteiche verlandet und die Aussichtsplätze überwuchert waren, seien jahrelange Arbeiten notwendig gewesen, betont die engagierte Kunsthistorikerin. „Die 30. Bundesgartenschau im vergangenen Jahr 2011 war da für die gesamte Region finanziell ein großer Glücksfall,“ betont sie freudig.

Schloss Stolzenfels

Wie wir dann über den Hauptzufahrtsweg steil hinauf steigen, vom sechsbogigen Viadukt auf den tief unten liegenden Rhein schauen und weiter gehen zum leise murmelnden Gründgesbach, da erfahre ich, dass die Wiederherstellung des Parks in den späten 1980er Jahren begonnen hat. „Ein Glücksfall war,“ so strahlt die engagierte Fachfrau, die bis vor kurzem noch in der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz gearbeitet und das Projekt mit begleitet hat, „dass der Park in früheren Zeiten nicht überformt worden ist und dass keine tief greifenden Umgestaltungen stattgefunden haben.“ Und wie sie dann auf den kleinen Bach zeigt, da spricht sie davon, dass Lenné diesen Bach besonders geformt hat. „Durch verschiedene Stauteiche, kleine und größere Wasserfälle, den Einsatz von verschieden großen Steinen und Findlingen, hat er verschiedene Arten von rauschendem, murmelndem und plätscherndem Wasser erzeugt, was dadurch zur besonderen Talatmosphäre beiträgt.“

Weiter gehen wir an mächtigen Kastanien talaufwärts zum Schloss. Dabei macht Thomas Metz darauf aufmerksam, dass die bergseitigen Futtermauern mit Steinen so geschichtet sind, dass sie wie gewachsener Fels aussehen. Vorbei geht es an zwei Klausen, in denen unter anderem die Gäste des Königs untergebracht waren und die heute als Seminarräume dienen. Wie wir dann um die letzte Kurve aus dem dunklen Blätterwald hinaus treten, da steht das imposante Schinkelsche Bauwerk mit der hellen dramatischen Kulisse des Rheintals vor uns.

Der Pergolagarten von Schloss Stolzenfels

Schwer beeindruckt schreite ich durch den engen Schlosshof nur ein paar Schritte hinüber zur offenen, dreischiffigen Arkadenhalle mit ihrer himmelblau gestrichenen spitzbogigen Decke. Vorbei an den schlanken Säulen gilt dann mein Hauptaugenmerk dem feinen, wunderschön gestalteten Pergolagarten. Umschlossen ist dieses kleine Juwel von der nördlichen Ringmauer und der Nordfront des Schlosses, in dem das gemeinsame Schlafzimmer des Königspaares untergebracht war.

Gänzlich anders dagegen das ausladende klassizistische Koblenzer Schloss des Trierer Erzbischofs und Kurfürsten Clemens Wenzeslaus, das auch gleichzeitig König Friedrich Wilhelm IV. als Residenz am Rheinufer gedient hat. Waren es bei Schloss Stolzenfels noch steile Hänge und kleine Nischen, die von Lenné zu gestalten waren, so hatte er es hier mit der Schloss Koblenzweitflächigen Rheinaue zu tun. Dabei entwarf er 1842 großflächig ausladende neue Gartenanlagen, die er exakt auf die Proportionen der Architektur ausrichtete. Immer im Blick dabei die größtmögliche Regelmäßigkeit, so dass sich Schloss und Gartenanlagen gegenseitig vervollständigen und zu einer symmetrisch geordneten Einheit verschmelzen. Schon damals war der stadtseitige Teil als Promenade für die Bevölkerung zugänglich. Nur war die Stadt damals noch in weiter Ferne im Gegensatz zu heute. Der zum Rhein hin gelegene Bereich mit Terrassen und versenkten Blumengärten war der privaten Nutzung vorbehalten.

Rheinseilbahn bei Koblenz

Am nächsten Tag schweben wir bei Sonnenschein mit der für die Bundesgartenschau 2011 neu errichteten Seilbahn über den mächtigen Rhein hinauf zur Festung Ehrenbreitstein, die mit ihren ausgeklügelten Festungsbauwerken auf einer gigantischen Gebirgsnase  eine geradezu magische Anziehungskraft ausstrahlt. Dabei erklärt Thomas Metz an einer Miniatur die großzügigen Parkanlagen, das neu errichtete Kulturzentrum und die historische Festung mit vielen überaus interessanten Ausstellungen.

Kanone Vogel Greif

Weiter geht es mit ihm durch die gigantische Festung, wobei Thomas Metz an der 5 Meter langen, aus Bronze gegossenen „Vogel Greif“ Belagerungskanone aus dem 16. Jahrhundert länger verweilt. „Sie war,“ so der Direktor der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz „quasi die Atomwaffe der damaligen Zeit auf ihren Kriegszügen, weil man damit dicke Stadtmauern zerstören konnte. Ein Waffentyp also, zu dem es keine Gegenwehr gegeben hat.“

Wir sind jedoch hier hinauf gekommen, um uns viel Zeit zu nehmen für die Ausstellung von Peter Joseph Lenné „Eine Gartenreise im Rheinland.“ Wunderbar wird sein Lebenswerk von 50 Dienstjahren mit herausragender künstlerischer Qualität darin gezeigt, das mit der Geburt 1789 in Bonn begann und 1866 in Potsdam endete. Wie er als königlich-preußischer Gartendirektor nicht nur hier am Rhein, sondern vor allem maßgeblich die wichtigsten Parks und Gartenanlagen im Raum Berlin-Potsdam prägte. Die Pfaueninsel, der Tiergarten und Zoologischer Garten sowie die Außenanlagen der Schlösser Sanssouci sind dabei nur einige Beispiele.

Lenné-Ausstellung Ehrenbreitstein

Danach unterhalte ich mich mit Thomas Metz ein letztes Mal über diese Festung auf dieser Reise am berauschenden Panorama, das weit unten am Deutschen Eck den Blick auf den mächtigen Steinsockel mit dem monumentalen Reiterstandbild Kaiser Wilhelm I. frei gibt. Der sitzt jetzt wieder seit 1993 auf seinem Pferd und lässt sich von einem Engel die Krone voran tragen, nach dem das Kaiser-Wilhelm-Denkmal im Zweiten Weltkrieg stark zerstört wurde. Dort am Deutschen Eck haben beide den Einlauf der Mosel in den Rhein im Blick, deren Fluten hier gemeinsam eine lange Reise antreten.

Was beherbergt die Festung, warum ist sie überhaupt gebaut worden und was stellt sie dar, will ich von Thomas Metz an diesem wunderschönen Aussichtspunkt wissen.

Und der fasst dann auch die Geschichte kurz zusammen. „Dieser Berg hier in Breitstein,“ so der Fachmann, „ist seit 3000 Jahren befestigt. Das ganze ging los mit einem frühen bronzezeitlich, keltischen Palisadengraben und zog sich durch alle Zeitphasen. Römer, Mittelalter, Renaissance, Barock und am Ende waren es die Preußen. Der Berg ist zum einen zum Schutz der Menschen selbst befestigt worden, zum anderen aber auch, um von hier aus Krieg zu führen. War also Waffenplatz und Schutz zugleich. Und die Geschichte dieses befestigten Berges endet selbst mit der Bunkeranlage des Zweiten Weltkrieges, die bis zum Ende des Kalten Krieges quasi als Zivilschutzanlage im Berg für 10 000 Menschen vorgehalten worden ist.“

„Heute ist es ein großes Kulturzentrum,“ fährt er dann fort. „Wir erzählen zum einen hier die Geschichte des Ortes mit ganz unterschiedlichen Ausstellungen, Präsentationen, mit Rekonstruktionen von Räumen und mit Medialinszenierungen. Zum anderen ist hier oben mit dem Landesmuseum Koblenz das Museum, das sich der Technik und der Wirtschaftsgeschichte des Landes widmet. Und so beschäftigen wir uns auch mit dem Garten- und Landschaftsarchitekten Lenné.“

Schaufelraddampfer

Wie der Nachmittag dann anbricht, sitzen wir gemütlich mit Frau Dr. Hombach auf einem Rheinschiff und es geht rheinabwärts nach Remagen. Von dort werden wir nach Brühl chauffiert. Vorher jedoch erfahre ich bei einem Zwischenstopp in Andernach noch, dass diese jetzt die „essbare Stadt“ geworden ist. Und auf mein ratloses Gesicht hin erklärt sie mir das dann so: „Die Stadt Andernach hat im vergangenen Jahr erstmalig ihre Grünflächen, die nicht immer ansehnlich waren, für die Anzucht von Gemüse freigegeben. Und so wächst jetzt dort alles, was man in der Küche benötigt. Und kann dann kostenfrei von allen Bürgern geerntet werden.“

Lange denke ich während unserer Fahrt von Remagen nach Brühl darüber nach und kann mir das in meiner Heimatstadt Remscheid nicht so ganz ohne Ärger vorstellen.

Wie ich dann am nächsten Tag in der UNESCO-Welterbestätte des Schlosses Augustusburg in Brühl mit unserer kleinen Gruppe im gigantischen Prunktreppenhaus stehe, da bin ich restlos begeistert. Dieses Bravourstück wurde nach Entwürfen des berühmten Baumeisters Balthasar Neumann gebaut.

Schloss Augustusburg

Was muss das für ein Gefühl für die herrschaftlichen Gäste gewesen sein, wenn sie mit ihrer Kutsche in diese pompöse Eingangshalle gefahren wurden, um dort offiziell empfangen zu werden, während die Kutsche an der anderen Seite der Eingangshalle hinaus fuhr. Da standen sie seinerzeit bestimmt genauso sprachlos wie wir und schauten sich die hinreißende Schöpfung voller Dynamik und Eleganz an, die im meisterhaften Deckenbild von Carlo Carlone gipfelt. Was im Übrigen den deutschen Staatsgästen auch zuteil wurde, denn Schloss Augustusburg wurde von 1949 bis zum Umzug nach Berlin auch als Repräsentationsschloss der verschiedenen Bundespräsidenten und der Bundesregierung genutzt.

Nach solchem Prunk, den seinerzeit  die namhaftesten Architekten, Maler, Bildhauer und Stuckateure von den Niederlanden, Deutschland sowie Frankreich und Italien schufen, treten wir hinaus in die barocke Gartenanlage. Leider spiegelt sich im großen Spiegelweiher nicht nur das barocke Schloss, sondern zusätzlich ein mächtiger Bauzaun, der die Sicht auf die glanzvolle Außentreppe hin versperrt, an der noch bis zum Ende des nächsten Jahres gearbeitet wird.

Barockgarten von Schloss Augustusburg

Uns stört es nicht. Schreiten wir doch durch die barocken Gartenanlagen mit filigran wirkenden Ornamenten und Zierbeeten, wobei wir das Schloss im Rücken haben. Schlendern vorbei an runden und vierpassförmigen Fontänenbecken, die 1728 nach französischem Vorbild von dem in Versailles ausgebildeten Dominique Girard geschaffen wurden. Am Ende des pompösen Ziergartens schauen wir auf die mächtige Wasserfontäne des großen Abschlussbeckens, deren Wasser vom Wind nebelförmig weit über den Beckenrand hinaus getragen wird. Diese Seite meiden wir beim weiteren Spaziergang hin zur breiten Hauptachse, die von hohen Waldbäumen gesäumt ist. Hier beherrscht auf großem Terrain der malerische Wechsel von Baumpartien und Wiesenflächen, die von Wasserflächen mit Inselweihern durchzogen werden.

1842 bekam Lenné den Auftrag von Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, den zu dieser Zeit bereits sehr verwilderten Park seines Königsschlosses mit dem mächtigen Baumbestand  als englischen Landschaftsgarten zu einem Volkspark hin umzugestalten.

Kannte Lenné sich doch sehr gut in diesem Park aus, denn genau hier hatte er zwischen 1805 und 1808 seine Gärtnerlehre absolviert. Dabei nahm er eine maßvolle Überformung im landschaftlichen Stil vor, bei der er die geraden Wegachsen des Barockparks beibehielt und die grundlegenden Neuerungen auf die Randbereiche beschränkte.

Als technische Sensation ließ Lenné in diesem Zuge eine neue Eisenbahnstrecke Köln-Bonn 1844 mitten durch diesen Waldbereich an den Inselweihern vorbei führen. So konnten die damaligen Besucher eine fauchende Dampflok mit ihren vornehmen Waggons bestaunen, die über eine  reich verzierte Eisenbahnbrücke schnaufte um nur wenige hundert Meter weiter ihre Gäste zum ebenfalls neuen Bahnhof zu bringen. Heute sieht dieser Bereich ganz anders aus. Da wurde in der Zwischenzeit ein neues Gleisbett aufgeschüttet, das den vorbeirauschenden, hochmodernen ICE-Zügen Stand hält. Die mächtigen Bäume lindern dabei die Geräuschkulisse.

Schloss Augustusburg

Und inmitten dieser grünen Giganten gehe ich auf der breiten Gartenachse zurück zum Schloss. Muss dabei an die Reiher denken, die in der Mitte des 18. Jahrhunderts hier in den Baumkronen genistet haben. Ihr Futter mussten sie im Altrheingebiet bei Wesseling holen. Und genau auf dieser Strecke von ihren Horsten hier im Brühler Schlosspark hinüber zu ihren Fischgründen ließ der Kölner Kurfürst und Erzbischof Clemens August als leidenschaftlicher Falkenjäger zwischen 1729 und 1737 sein Jagdschloss Falkenlust errichten, um mit seiner feinen Jagdgesellschaft mit abgerichteten Falken diese Reiher zu jagen.

Und wie ich auf dieser langen breiten Wegachse auf Schloss Augustusburg zugehe, da muss ich daran denken, dass es die maßgeblichen Gestaltungsprinzipien Lennés waren, der die Bildung von Sichtachsen oder die Dramaturgie der Wegeführung eingeführt hat. Da sehe ich vor meinen geistigen Augen die feinen Herren die mit den hübschen, gut gekleideten Damen hier flanierten. Und da es zu dieser Zeit schick war, dass der Taillenumfang der Damen dem Umfang ihres Halses entsprechen sollte, da trugen die Damen an der linken Schläfe keine Schönheitspflästerchen, die vielleicht auch noch nach unten verrutschen könnten, sondern ein mit ätherischen Ölen beträufeltes kleines Migränepflaster, um die Taillenschmerzen besser ertragen zu können.

Gerd Krauskopf 

 

Gemälde Schloss Augustusburg

 

 Weitere Informationen:

 Rheinland-Pfalz Tourismus

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so wie

Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz

http://www.gdke-rlp.de/