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Tausend Jahre Geschichte in einer Stunde

Eine Bilderbuchansicht ist der Alte Markt mit den schmalen Bürgerhäusern und dem mächtigen, im 16. Jahrhundert erweiterten Renaissance-Rathaus.

Die westpolnische Stadt Poznan ist eine Hochburg der Kultur - Alte und moderne Architektur begegnen sich.

Die polnische Stadt Poznan (Posen) ist wie Liebe auf den zweiten Blick. Sie ist still und verträumt und wartet darauf, entdeckt zu werden. Poznan zehrt nicht nur von seiner wechselvollen Geschichte, sondern hat auch mit zeitgenössischer Architektur und Kultur den Schritt ins 20. Jahrhundert gewagt. Auf einem Spaziergang im Stadtzentrum können in einer Stunde tausend Jahre Geschichte kennen gelernt werden. Poznan kam im 18. Jahrhundert nach der zweiten Teilung Polens zu Preußen und blieb von 1793 bis 1918 unter preußischer Herrschaft. Die Preußen rissen die Stadtmauern ab und bauten die Altstadt um. Kaiser Wilhelm II. ließ das Kaiserschloss 1910 im romanischen Stil errichten. Er hielt sich aber nur dreimal in seiner neuen Residenz auf. Im Dritten Reich wurde das Schloss unter Leitung von Albert Speer, dem Haus- und Hofarchitekt der Nationalsozialisten, umgebaut. Er richtete in der Kapelle im Turm ein Arbeitszimmer für Adolf Hitler ein, der jedoch nie in dem Schloss weilte. Heute dient das im Zweiten Weltkrieg kaum zerstörte Schloss als Kulturzentrum. So ist hier der Knabenchor „Posener Nachtigallen“ untergebracht. Als das Schloss vor zwei Jahren renoviert wurde, habe es heftige Diskussionen gegeben, berichtet Stadtführerin Julita Antoszewska. „Warum werden deutsche Gebäude renoviert und nicht Häuser in der Altstadt, die vom Verfall bedroht sind?“, hätten die Bürger gefragt.

 Die Posener haben Papst Johannes Paul II. auf der Dominsel neben der Kathedrale ein Denkmal gesetzt, vor dem täglich Blumen abgelegt werden.

Sehenswerte Domkirche

Auf der Dominsel bildet die Domkirche die wichtigste Sehenswürdigkeit. Die dreischiffige gotische Basilika, mehrmals umgebaut, trägt Spuren unterschiedlicher Baustile. Der Dom in Backsteingotik ist der Sitz des Erzbischofs – die älteste Kirche in Polen. Er wurde 1945 zerstört und mit altem Material wieder aufgebaut. An dem spätgotischen Altar aus dem 16. Jahrhundert fällt auf, dass auf dem Altarbild ausschließlich Frauen zu sehen sind. Vier einst in Nürnberg angefertigte Fischerplatten, die von den Nazis geraubt wurden, tauchten 1990 in der Eremitage in St. Petersburg wieder auf und wurden zurückgegeben. Die Goldene Kapelle dient seit 1834 als Mausoleum der polnischen Herrscher Mesko I. und Boleslaus dem Tapferen.

Die Pfarrkirche in Poznan gilt als Juwel des polnischen Barocks.

Die Pfarrkirche beim ehemaligen Jesuitenkolleg im Stadtzentrum besticht durch seine Ladegast-Orgel und die Kuppel, die eine optische Täuschung darstellt.

Eine Bilderbuchansicht ist der Alte Markt mit dem im 16. Jahrhundert erweiterten Renaissance-Rathaus.

Die Skulpturen der Ziegenböcke auf dem RathausturmDas Wahrzeichen der Stadt sind die Ziegenböcke der Rathausuhr. Einer Anekdote zufolge hatte ein Koch das Essen verbrannt und wollte deshalb zwei Ziegenböcke einfangen und braten. Diese flüchteten ins Rathaus und blieben am Leben. Die Skulpturen der Ziegenböcke auf dem 61 Meter hohen Turm stoßen jeden Mittag um zwölf Uhr zu den Klängen eines echten Turmbläsers ihre Hörner gegeneinander. Für Einheimische wie Touristen ein beliebtes Spektakel.

Den Posener Bambergern sind ein Brunnen und ein Museum gewidmet. Sie wurden im Mittelalter aus dem Bistum Bamberg geholt und stellten im 17. Jahrhundert mit 500 Personen eine starke Gruppe.

Jubiläen von Opernhaus und Festival

Kultur hat in der Stadt einen hohen Stellenwert. Zu den Höhepunkten des Posener Opernhauses, das 100 wird, gehört die Mega-Inszenierung von Puccinis „La Bohéme“ im alten Gaswerk von Poznan. Das Opernhaus wurde von Max Liebmann, dem Architekten des Stuttgarter Opernhauses, erbaut. Beide Gebäude ähneln sich frappierend. Im 20. Jahr seines Bestehens sieht das Programm des „Maltafestivals Poznan“ Auftritte weltbekannter Künstler vor, die mit Flandern und der flämischen Kultur eng verbunden sind. Das Eröffnungskonzert am 25. Juni 2010 war der Musik von Jacques Brel gewidmet.

Stolz zeigt die Stadtführerin die modernen Errungenschaften der westpolnischen Kultur- und Messestadt.

Erste Station ist das Stadion für die Fußball-Europameisterschaft 2012, das eine neue Überdachung erhalten hat und schon fertig ist. Das erste Spiel nach dem Umbau fand im Herbst 2010 statt.

Im Einkaufs-, Kultur- und Freizeitzentrum „Stary Browar“ (Alte Brauerei) herrscht lebhaftes Treiben. Erhaltenswerte Teile des ursprünglichen Gebäudes sind wiederverwendet worden. Unter einer riesigen Kuppel erstreckt sich das Angebot über drei Stockwerke. Die Verbindung von Kunst und Business im roten Klinkerbau hat sich positiv ausgewirkt. Im Kulturbereich sind Tanztheater, Performance, Experimentalfilm  und Avantgarde vertreten.

Der Naherholung dient das an einem Stausee gelegene Sport- und Freizeitzentrum Malta. Neben Wassersportlern kommen Skifahrer dank einer Kunstpiste sogar im Sommer auf ihre

Der schäumende Gerstensaft wird in Gläser abgefüllt. Auch das Bier spielt in Posen – wie hier in einem Restaurant am Marktplatz – eine große Rolle.

Kosten. In der Brauerei Lech erfahren Besucher, wie sich Biersorten in Geruch, Farbe und Geschmack unterscheiden. Nach so viel Kultur kann man hier geruhsam ein oder zwei Gläschen trinken.

Norbert Krauss

 

Infos:

Die Krämerhäuser mit ihrem charakteristischen Laubengang stehen neben dem Rathaus auf dem Alten Markt.

Weitere Informationen:

Polnisches Fremdenverkehrsamt, Kurfürstendamm 71, 10709 Berlin, 5 0 30/21 00 92-0, Fax 0 30/21 00 92 14.

http://www.polen.travel/de

Anreise:

Direktflug von Düsseldorf nach Poznan in 90 Minuten (ab 123,70 Euro). Mit der Bahn ist Poznan in rund zehn Stunden von Düsseldorf aus erreichbar; Tickets gibt es ab 125,80 Euro.

Direktflug von Frankfurt nach Poznan in 80 Minuten (ab 246 Euro). Mit der Bahn ist Poznan in siebeneinhalb Stunden von Frankfurt aus erreichbar; Tickets gibt es ab 138 Euro.

 

Restauranttipps:

Pod Koziolkami, Restaurant Ratuszowa.

Das Herz der Posener Altstadt ist der Marktplatz, der von schön restaurierten Bürgerhäusern gesäumt wird.