Hurtigruten 2

 

Mit dem Postschiff

in die

Barentssee 

Nordkap

Das wohlig warme Wasser meines Aussenwhirlpools sprudelt mir bis an den Hals. Dabei habe ich die wärmende Pudelmütze tief ins Gesicht gezogen, denn der Wind pfeift mir hier oben auf Deck 6 am Heck der MS Nordnorge im winterlichen Nordmeer ganz schön heftig um den Kopf.

FinnmarkAber das macht meinen freien Wangen nichts aus. Im Gegenteil, ich genieße die absolute Einsamkeit, blicke hinüber zu den vorbeiziehenden, schneebedeckten kleinen und großen Felseninseln der Finnmark und verfolge in der Dunkelheit die lange Heckwelle unserer beiden 6000 PS-starken Motoren. Dabei ist die See ganz ruhig. In der vorigen Woche soll das anders gewesen sein, da zwangen über 10 Meter hohe Wellen das Schiff zum Umkehren. Und dann, ich kann es kaum glauben, taucht am sternenklaren Nachthimmel für einen langen Augenblick ein mächtiger, tanzend grüner Lichtschleier auf. Mein erstes Nordlicht. Ich bin derart begeistert, dass ich gar nicht mehr aus meinem heißen Jacuzzi hinaus möchte.

Dabei bin ich gestern erst mit dem Flieger nach Tromsø angereist. Sah unter mir eine dichte Bewölkung. Weit am Horizont lud  ein glühend roter Sonnenschweif zum Träumen ein. Und dann verließ unser Flieger seine bisherige Flughöhe und steuerte den Flughafen von Tromsø an. Wie wir dann irgendwann durch die Wolken gestoßen waren, rieb ich mir ungläubig meine Augen, denn ich dachte, nicht richtig zu sehen. Es war rabenschwarze Nacht mittags um halb zwei. Die Stadt war hell erleuchtet. Ich erkannte die ausladende Tromsø-Brücke und das hell erleuchtete Restaurant einsam hoch oben auf dem Storsteinen, dem Hausberg meiner Ankunftsstadt.

Von hier aus sollte es also dann los gehen, zur „schönsten Seereise der Welt“, wie es so schön heißt. So brachte mich aber erst einmal ganz unkompliziert ein Bus zum Hafen, wo gerade mein „Postschiff“, die mächtige  „MS Nordnorge“ einlief. Ich war beeindruckt von diesem stabilen Kreuzfahrtschiff für gut vierhundert Passagiere. Sie war bereits vor Tagen in Bergen aufgebrochen und wird mich entlang der norwegischen Küste übers Nordkap und weiter durch die Beringsee bis zur russischen Grenze nach Kirkenes bringen. Und dabei die kleinen und großen Städte mit Fracht beliefern, was die Rederei bereits seit mehr als 115 Jahren im täglichen Liniendienst mit 11 Schiffen durchführt.

Schnell war dann aber erst einmal mein Koffer am repräsentativen Empfang in einer Gepäckaufbewahrung verstaut, so dass ich bis zum Ablegen am frühen Abend Zeit hatte. Und so schloss ich mich der fachkundigen Stadtführerin Karina zu einem fußläufigen Rundgang an, der mich Museum Tromsøins nahegelegene Polarmuseum führte. Hier bekam ich in einem alten Hafen-Lagerhaus auf spannende Art die Geschichte von wagemutigen Polarexpeditionen und der schwierigen Jagd im Eismeer mit kleinen Booten aus Fell näher gebracht.

Später endete unser Stadtrundgang mit einem leckeren, süffig dunklen Bier im zünftig dicken Krug bei „Mack“, der nördlichsten Brauerei der Welt. 1928 eröffnete die Brauerei diese urgemütliche Bierhalle, in der Frauen der Zutritt bis vor kurzer Zeit verboten war. Da erzählte Karina von den Seeleuten, denen man nachsagt, dass ihre gefangenen Fische bei jedem Bier größer geworden sein müssen. Und so ließ man sich in dieser „heiligen Stätte“ weder durch Geschäfte noch durch Weiber stören.

MS Nordnorge

Dann war es soweit. Ich war an Bord und bezog meine hübsche Kabine, von der ich durch mein großes Bugfenster das Ablegemanöver gespannt beobachtete. Da zog mich aber auch wärmstens gekleidet die Neugier an Deck, von wo ich an der Reling lehnend die letzten Lichter von Tromsø sah. Und dann war da nur noch gewaltige Natur und schneebedeckte schroffe Felsen, die in einiger Entfernung langsam an uns vorbei zogen. Dabei passierten wir in dieser Nacht den 70 Grad nördlicher Breite.

Ich sinnierte dort in dieser dunklen Nacht an Deck darüber, dass den jeweiligen Kapitänen für die Sicherheit ihrer Passagiere gerade jetzt im Winter bei oft widrigen Witterungsumständen ein hohes Maß an Können abverlangt wird.

Geir A. Johanessen

Einer dieser gestandenen Kapitäne, Geir A. Johanessen, wacht auch über unser Schiff. Wie ich ihn auf seinem Kommandostand besuche, sitzen er und sein erster Offizier und Steuermann Kurt Nærbo ruhig und entspannt vor ihren Instrumenten vor diesen riesigen Fenstern. Ab und an schaut sich der Kapitän Johanessen dann auch mal die langsam auf uns zukommende Inselwelt mit seinem Fernglas genauer an.

Das tat auch schon 1893 der Seebär Richard Eith auf seinem Dampfschiff „VESTERÅLEN“ und fertigte dabei mit seinem Lotsen Anders Holthe in akribischer Kleinarbeit Seekarten für die raue norwegische Westküste an, so dass ab dieser Zeit die Naturgewalten überlistet waren und späer sogar Nachtfahrten von Bergen bis Kirkenes möglich waren. Denn bis zu dieser Zeit hatten die Seeleute immer wieder unter großen Verlusten vergeblich versucht, auf diesem risikoreichen Seeweg ohne zuverlässige Seekarten bei nur wenigen Leuchttürmen den Handel mit ihrem getrockneten Fisch aufzubauen.

Später schenkte der alte, gestandene Kapitän Eith dem norwegischen Staat sein Kartenmaterial und gab dem Seeweg den Namen Hurtigruten, was soviel heißt wie „schnelle Route.“ 

Erling Leiren

Während mein Kapitän Johanessen sein Fernglas wieder einmal absetzt, da erklärt er mir kurz und verständlich, wie das mit den Entfernungsmessungen über die ausgesendeten Funkwellen zum reflektierenden Objekt hin funktioniert und auf seinem übergroßen Radarbildschirm sichtbar wird. 

Sieben Etagen tiefer sorgt Chefingenieur Erling Leiren dafür, dass seine beiden Hauptmotoren mit ihren jeweiligen 6 000 PS einwandfrei laufen. ”Bei normalen 15 Knoten,” so antwortet der Maschinenchef auf meine Frage nach dem Verbrauch der riesigen Motoren, ”schlucken sie gute 1000 Liter in der Stunde. Und wenn die Brücke volle Kraft voraus mit 17 bis 18 Knoten ordert, dann brauchen sie auch den doppelten Treibstoff.”

Wie wir am nächsten Mittag bei Dämmerlicht auf Honningsvåg zusteuern, verlasse ich meinen Honningsvåggemütlichen Sessel in der Panorama-Lounge und stelle mich an Deck zu den anderen Gästen. Hier warten wir auf den Höhepunkt der Reise, auf den spektakulären Nordkap-Felsen, der seit Mitte der 1950er Jahre erst über eine Autostraße zu erreichen ist. Bis dahin mussten Schiffsreisende 1008 schweißtreibende Stufen von Hornvika zum 307 Meter hohen Nordkap-Plateau hinauf steigen. Wir hingegen setzen uns gemütlich in einen Bus und genießen das vorbeiziehende weiße Bergpanorama. Dabei haben wir Glück, dass sich die Schneehöhe in Grenzen hält und nicht wie bei riesigen Schneemengen üblich eine Schneefräse vor einem Buskonvoi vorweg fährt.

Mit Anne Siri, die hier aufgewachsen ist, stehe ich an der kleinen, steil ins Meer stürzenden Spitze, dem nördlichsten Punkt Europas, 2080 Kilometer vom Nordpol entfernt. Hier verabschiedet sich derNordkap

Nordatlantik und begrüßt die Barentssee. Jetzt um diese äußerst frostige Jahreszeit, so stellen wir beide fest, ist es ein besonders exklusives Vergnügen. Stehen wir doch ganz alleine an dieser gigantischen Weltkugel, die im Sommer übervölkert ist. Der Rest unseres Busses hat das zugige Monument verlassen und schaut sich die einzigartige Videovorführung in der Nordkaphalle an, die ich bereits im vorigen Sommer bestaunt hatte.

Wie wir dann zurück zur nahe gelegenen Nordkap-Halle gehen, erfahre ich, dass Anne Siri und ihre Spielkameraden in ihrer Kindheit das Fell ihrer Jacke nach außen getragen haben, bei den Hosen wurde es nach innen getragen. „So konnten wir,“ und da strahlen ihre Augen, „mit unseren Hosen ohne Schlitten die tollsten Schneehügel hinunter rutschen.“

Nordmeerkrabbe

Wieder zurück auf der Nordnorge wird am späten Nachmittag die Fahrt gedrosselt. Wir passieren dick eingemummt auf Deck 7 mit samischer Volksmusik aus dem Bordlautsprecher die Felsformation Finnkjerka, ein früherer Opferplatz der Sami. In diesem Moment erstrahlt die Felsformation in einem gewaltigen Farbenspiel, was einer gigantischen Kathedrale gleicht. Und während alle noch demutsvoll und andächtig  gespannt zu diesem heiligen Berg mit seinem Farbenrausch hinüber schauen, haben norwegische Fischer vier Königskrabben auf unser Deck gebracht. Die einen halten die mächtigen Tiere neugierig vor ihre Brust für ein Erinnerungsfoto, die anderen treten erschreckt zurück.

Fischbuffet

An diesem Abend schlägt sich der Fischreichtum Norwegens auch auf meinem Teller nieder. Da bewege ich mich wie die meisten Gäste hart backbordseitig und lasse steuerbordseitig Schwein und Huhn liegen. Nur beim leckeren Nachtisch begebe ich mich auf diese Seite.

Nach einer etwas unruhigen Nacht auf der freien Barentssee schippern wir jetzt wieder in etwas geschützteren Gewässern. Da lasse ich das Küstenpanorama aus Schären, Sunden und Fjorden an mir vorbei ziehen, wobei tiefe Zufriedenheit in mir aufkommt.

Kirkenes nach dem Frühstück bedeutet Abschied nehmen von meiner lieb gewonnenen MS Nordnorge. Wie ich dann mit meinem Gepäck und den übrigen Passagieren am Empfang auf unseren Landgang warte, da bin ich doch etwas erstaunt darüber, dass es am Morgen bereits wesentlich heller als an den letzten Tagen ist. Und das erklärt mir Dr. Bernd Löhberg, der neben mir steht und die gesamte zwölftägige Schiffsreise mit seiner Frau zusammen gebucht hat, auf einfache Art und Weise. Dass wir uns nämlich jetzt auf dem Längengrad etwa von Warschau befinden und es genau so lange hell ist wie in den letzten Tagen, nur dass dieser Zyklus nach vorne verschoben ist.

Da Kirkenes nur 16 Kilometer von der russischen Grenze entfernt liegt, geht’s jetzt erst einmal

Kirkenes: Russisch/Norwegischer Grenzübergang

unter fachkundiger Führung von Ronny dort hin. Ein scharfes Finnenmesser und Werkzeug für die Arbeit samt Tasse für ein leben in der Wildnis hat er an seinem Gürtel immer griffbereit hängen. Auf der Fahrt erfahre ich, dass hier drei Zeitzonen durch das Zusammentreffen von Russland, Finnland und Norwegen aufeinander treffen.

Vorbei geht es an Straßenschildern, die zweisprachig nach Murmansk und Narvik zeigen. Wie wir dann an diesem alten, verschlossenen Checkpoint stehen, da grinst der alte Fuchs und erzählt mir mit schelmischem Blick, dass 1962 die Grenze 30 Tage lang einseitig geöffnet war. Und so kamen die Norweger schwer beladen jeden Tag mit Alkohol zurück, was dazu führte, dass Kirkenes handlungsunfähig war.

Heute hat sich alles normalisiert. Da haben die Menschen beiderseits einen speziellen Ausweis an dieser Schengen Außengrenze, der es ihnen gestattet, sich im Umkreis von 30 Kilometern frei bewegen zu können. Und so leben in der gut 5 000 Einwohner zählenden Stadt mit einer Arbeitslosenzahl von etwa einem Prozent 10 Prozent Russen. „Wenn du hier als Russe wohnst, musst du entweder eine Ingenieursausbildung haben oder eine hübsche Russin sein, die dann hier geheiratet wird,“ lacht Ronny.

Die niedrige Arbeitslosigkeit hat aber auch dazu geführt, dass Wohneigentum hier teuerer als in Oslo ist. So bezahlt man für ein kleines Häuschen mit 100 bis 110 Quadratmeter satte 3 Millionen Kronen was etwa 400 000 Euro entspricht. Dabei sind Elektronik, Bekleidung, Tee und Kaffee hier in Kirkenes billiger als drüben in Russland.

Lavva

Ronny selbst hat etwas außerhalb der Stadt an einem zugefrorenen kleinen See einen hübschen Rentierpark namens „Gabba“. Und wie ich seinen Park besuche, da kläffen und jaulen neben einem Sami-Zelt auf Kommando geschätzte 70 Huskys los, während nebenan in einem Gehege Rentiere nur gelangweilt den Kopf heben. Ronny selbst ist schwer beschäftigt. Zur Zeit hat er keine Zeit für eine Hundeschlittenfahrt mit mir, die verlegen wir auf den nächsten Tag. Jetzt baut er gerade wie in jedem Jahr ein mächtiges Schneehotel auf. Dazu hat er eine riesige Blase verwendet, die mit Schnee ummantelt und später entfernt wird. Für den Innenausbau mit aufwendigen Eisskulpturen hat er drei chinesische Eiskünstler einfliegen lassen. Da der Schnee in diesem Jahr so lange auf sich hat warten lassen, muss jetzt alles sehr schnell gehen, da die Chinesen nur eine begrenzte Aufenthaltsdauer haben.

John Henrik Miessa Bei knisterndem, offenem Feuer in Ronnys kleinem Holz-Restaurant treffe ich John Henrik Miessa, ein Sami aus Kautokeino. Und wie ich ihm erzähle, dass ich noch im vorigen Jahr in seiner hübschen Finnmark und genau in Kautokeino war, da singt er mir mit Begeisterung seine alten, rituellen Gesänge und begleitet sich dabei auf seiner Gitarre. Und erst spät, ganz spät, singt er mir seinen eigenen Joik, den ihm seine Großmutter bei seiner Geburt gedichtet hat.

Gerd Krauskopf

 

Infos:

 

Auskunft zu den Postschiffen der Hurtigruten:

Hurtigruten GmbH

Tel:       040 37 69 30 

www.hurtigruten.de

 

Angebot ab/bis Düsseldorf: 

Das aktuelle Winter-Top-Angebot umfasst die 12-Tage-Reise Bergen-Kirkenes-Bergen inklusive komfortablem Nonstop-Charterflug von und nach Düsseldorf und kostet ab 1.295,- Euro pro Person. Die Anreise ist an verschiedenen Terminen von November 2011 bis April 2012 möglich. Das Reisepaket beinhaltet neben der Seereise in der gebuchten Garantiekabine und den Charterflügen 

außerdem Vollpension an Bord sowie alle Transfers laut Programm.

 

Angebot ab/nach Frankfurt:

Die 12-Tage-Reise Bergen-Kirkenes-Bergen ist in der Winter-Saison ab ca. 1.950 Euro pro Person buchbar -  inklusive An- und Abreise per Linienflug ab/nach Frankfurt, Seereise in der gebuchten Kabinenkategorie und Vollpension. 

MS Nordnorge

 

 

Übernachtung im Thon Hotel in Kirkenes (über Hurtigruten buchbar):

Seit 3. Mai 2010 geöffnet, ist das größte Konferenzhotel der Stadt mit 144 modernen Zimmern und einer Kapazität für bis zu 300 Gäste. Das Hotel liegt am Kai im Zentrum der Stadt gelegen mit Blick auf den Fjord. Preise: DZ inkl. Frühstück  für 83 Euro, EZ inkl. Frühstück für 125 Euro.

Thon Hotel in Kirkenes

 

 

Gabba Rentierpark von Ronny Østrem

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Folgende Aktivitäten sind bei Ronny möglich und über Hurtigruten buchbar:

Hundeschlittentour

 Schneeschuh-Wanderung

 Übernachtung im Schneehotel Kirkenes 

Ronny Østrem

 

 

Reiseführer:

Zur Vorbereitung den Polyglott APA GUIDE Norwegen, für unterwegs den Polyglott on tour Norwegen mit flipmap