Südburgund
Südburgund: Samtige Weine und romanische Baukunst
Die Mönche wussten schon, wo sie ihre prachtvollen Klöster bauen. Die Region von Mâcon bietet Genussvolles vom Wein über feinstes Fleisch vom Charolais-Rind bis zu Schokoladen mit seltenen Aromen
Von Gerd Krauskopf
„Der Wein“, so strahlt Charlotte, „ist wie Samt auf meiner Zunge.“ Dabei leuchten ihre Augen, während sie gerade einen kleinen Schluck ihres Grand Cru gekostet hat. Für sie ist es wichtig, von welcher Lage die Chardonnay-Traube stammt. „Nur zwei Prozent“, erklärt sie, „werden zu diesem Spitzenwein verarbeitet.“ Die Sommelière des Weinguts und Boutique-Hotels Château Pirreclos kredenzt unserer kleinen Reisegruppe bei der Weinverkostung im hügeligen Weinberg des Mâconnais die besten Tropfen des Hauses. Wir sind uns einig: Diese Weine haben ihren legendären Ruf zu Recht.
Während der Wein und der fruchtig-pikante Ziegenkäse der Region eine wunderbare Harmonie auf der Zunge ergeben, fällt der Blick auf die gegenüberliegende Hügelseite. Dort, am Fuß einer steilen Felskante aus versteinerten Korallenmassen, die wie der Bug eines Schiffes herausragen, wurden vergrabene Pferde- und Mammutknochen im großen Stil gefunden. Untersuchungen haben ergeben, dass sie gute 30000 Jahre alt sind. Dabei vermutet man, dass Jäger damals die Tiere zu dieser Klippe getrieben haben, von der sie dann zu Tode stürzten. So konnten sie die Tiere dann ausschlachten.
Charlotte erinnert sich noch gut an die Zeit, als ihre Großeltern ihr vom ehemaligen französischen Staatspräsidenten François Mitterand erzählt haben. Der stieg nämlich alljährlich am Pfingstsonntag nach einem guten Essen dort auf diese Hügelspitze des Felsens von Solutré mit einem Tross von Journalisten. Von dieser Felskante genoss er den Blick über das Saône-Tal, die Bresse und den Jura bis zum Montblanc.
Das Burgund im Süden von Paris ist nicht nur berühmt für guten Wein und köstliche Speisen, sondern auch für seine vielen Kirchen, Kathedralen und Abteien. Sie zeugen vom Bauboom im Mittelalter, der besonders den Süden dieser französischen Region zu einem Hort für romanische Kunst gemacht hat. Einst pilgerten die Menschen massenweise zu diesen Gotteshäusern. Heute locken die Bauwerke, welche die Wirren der Zeit überdauert haben, zahlreiche Touristen an.
Auch wir sind an diesem europäischen Kulturerbe interessiert, und da ist Cluny die erste Adresse. Dort, wo bis zum Bau des Petersdoms in Rom die Abteikirche – 40 Meter länger als der Kölner Dom und größer als zwei Fußballfelder – das größte Gotteshaus der Christenheit war, bestaunen wir die bautechnischen Glanzleistungen und die Qualität des skulpturalen und gemalten Dekors, die zwischen dem 10. und 18. Jahrhundert entstanden sind. Im Südarm des großen Querhauses müssen wir unsere Köpfe weit nach hinten strecken, um in einer Höhe von 33 Metern das von der Französischen Revolution unzerstörte Trichtergewölbe bestaunen zu können. Im gesamten Mittelmeerraum hat dieses romanische Bauwerk seinerzeit Maßstäbe gesetzt. Die Äbte waren Ratgeber von Kaisern, Königen, Fürsten und Päpsten. Zwei Äbte überlebten 22 Päpste in Rom und führten Aufsicht über 1500 Klöster in ganz Europa.
Auch in nahegelegenen Städtchen wie zum Beispiel in Paray-Le-Monial, Autun oder Nevers thronen verkleinerte cluniazensische Gotteshäuser.
In Tournus wandeln wir nach dem Besuch der Abtei des ehemaligen Benediktinerklosters durch verwinkelte Gassen und gelangen zum Hotel-Dieu, einem Krankenhaus aus dem 17. Jahrhundert, in dem man in den drei großen Sälen mit den ursprünglichen Möbeln in die Atmosphäre dieser Zeit eintaucht. So sind die mit Vorhängen geschlossenen Eichenbetten rechts und links der Säle hintereinander angeordnet. Der besondere Stolz gilt der gut erhaltenen Apotheke mit prächtigen Reihen von Fayencegefäßen und alten medizinischen Geräten.
Auch auf unserer letzten Tour durchfahren wir wie jeden Tag idyllische Dörfer. Auf den Weiden fallen uns die friedlich grasenden, muskulösen weißen Charolais-Rinder auf. Sie gehören zu den besten Fleischrassen der Welt. Und inmitten dieser lieblichen Hügel taucht La Charité an der Loire auf. Von der steinernen Fluss-Bogenbrücke aus dem 16. Jahrhundert geht der Blick hinauf zur romanischen Kirche Notre-Dame de La Charité. Einst war das Gotteshaus eine bedeutende Station auf dem Jakobsweg. Seit 1998 ist die Kirche als Teil des Unesco-Weltkulturerbes „Jakobsweg in Frankreich“ ausgezeichnet.
Im Schatten des mächtigen Glockenturms der Kirche Notre-Dame entdecken wir die kleine Confiserie du Prieuré von Jean-Claude Charpentier. Dort hat der 69-jährige Konditor-Chocolatier mit seiner auffällig orangefarbenen Brille, prächtigem Schnauzbart und dem langen Pferdeschwanz seit 14 Jahren die kleine Schokoladenmanufaktur übernommen, die im Jahr 2021 ihr 100-jähriges Jubiläum feiert. Wenn Charpentier von seinen Schokoladenexperimenten erzählt, dann funkeln seine Augen. Jedes Jahr kreiert der Meister Neuigkeiten mit seltenen Aromen. Seine Kunden aus Nah und Fern, sogar aus Paris, lieben ihn dafür.
Als die Abendsonne vor dem Hotel Le Grand Monarque die seicht fließend breite Loire orange färbt, genießen wir Scampi-Häppchen und feines Rührei mit Langusten. Bei passendem Wein folgen Burgunder-Schnecken, der Hauptgang überrascht mit Charolais-Rinderfilet in einer Perigourdine-Sauce. Ein Birnensorbet mit Mandelstückchen und heißer Schokolade rundet das Menü ab. Bon appétit! Mensch, was willst du mehr!
Weitere Informationen:
Tourismusamtes Burgund-Franche Comté: www.de.bourgognefranchecomte.com
Anreise: Am einfachsten mit dem Auto bis Mâcon—Loché.
Unterkunft: Zum Beispiel in Tournus im Hotel Le Rempart, www.lerempart.com/; in Autun im Hotel Les Ursulines, www.hotelursulines.com/fr/; in La Charité im Hotel Le Grand Monarque, www.le-grand-monarque.fr/