Mecklenburg

Küste, Köche und Künstler in Mecklenburg

Mecklenburg-Vorpommern Stille Tage an der mecklenburgischen Ostseeküste: Außerhalb der Hauptsaison wird es dort ganz schön beschaulich. Dann können die Köche und Künstler der Region verstärkt ihre kreativen Ideen umsetzen.  

Von Norbert Krauss 

Im Jahr 1793 badete Herzog Friedrich Franz I. von Mecklenburg-Schwerin auf Anraten seines Leibarztes Professor Samuel Gottlieb Vogel am „Heiligen Damm" in der Ostsee. Vogel hatte die heilsame Wirkung des Seewassers gegen eine Reihe von Erkrankungen erkannt.

Für den Standort Heiligendamm sprachen aber vor allem klimatische Vorzüge, wie staubarme und feuchte Luft, geringe Temperaturschwankungen, die üppigen Buchenwälder ringsherum sowie das Fehlen von Ebbe und Flut. Heiligendamm, das wegen seiner hellen klassizistischen Bauten gern „Weiße Stadt am Meer“ genannt wird, gilt somit als Deutschlands ältestes Seebad.

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In den folgenden Jahrzehnten entwickelten sich Heiligendamm und das benachbarte Doberan zu blühenden Badeorten. Die große Zeit als großherzogliches Seebad endete Anfang der 1870er-Jahre, doch Anfang des 20. Jahrhunderts gab es eine Wiedergeburt: Heiligendamm wurde zu einem internationalen Badeort, der vor allem durch sein reiches Kur-, Erholungs- und Sportangebot höchsten Ansprüchen gerecht wurde. An den Herzog erinnert ein mächtiger Granitfindling vor dem ehemaligen Kurhaus.

Zu DDR-Zeiten war Heiligendamm ein „Bad der Werktätigen“, dessen Gebäude ganzjährig für Erholungskuren genutzt wurden. Nach der Einheit standen die klassizistischen Häuser des Seebades zunächst jahrelang leer und verkamen. 1996 erwarb die in Köln ansässige Fundus-Gruppe die historischen Häuser. Nach drei Jahren sorgfältiger Rekonstruktion wurde am 1. Juni 2003 das Grand Hotel Heiligendamm eröffnet. Einen Höhepunkt markierte das Jahr 2007, als der G8-Gipfel in Heiligendamm abgehalten wurde. ?

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Das ehemalige Kurhaus beherbergt das Gourmet Restaurant Friedrich Franz, in dem seit März 2008 Ronny Siewert mit seiner Küchenbrigade kocht – das siebte Mal in Folge Bester seines Fachs in Mecklenburg-Vorpommern, Träger eines Michelin-Sterns und Eigner von 18 Gault-Millau-Punkten. Die zehn Tische bieten Platz für maximal 26 Gäste mit Blick auf die Ostsee. „Die Produkte für meine klassisch französisch geprägte Küche beziehe ich von einem nahe gelegenen Bio-Gutshof, und die nötigen Kräuter dafür sammle ich besonders gern selbst”, erklärt der Sternekoch. Seine persönliche Vorliebe ist das Zusammenspiel von Süße und Säure in Verbindung mit Fisch und Krustentieren.

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Der Weg von Heiligendamm nach Bad Doberan führt auf einer wunderschönen Allee an der Pferderennbahn vorbei, einer der ältesten dieser Art in Europa. Am 18. August 1822 fand hier das erste Galopprennern mit Vollblutpferden statt. Parallel zur Straße verkehrt die Schmalspurbahn „Molli“, die bis Kühlungsborn fährt und deren Pfeifen und Dampfen schon von Weitem zu hören ist.

Das 1368 geweihte hochgotische Doberaner Münster mit seiner originalen, mittelalterlichen Innenausstattung ist als „Perle der norddeutschen Backsteingotik“ bekannt. Das Innere mit seinem Kreuzrippengewölbe bietet einen überwältigenden Anblick. Prunkvoll sind zahlreiche Grabmonumente; denn die Klosterkirche war die bevorzugte Grablege der mecklenburgischen Herzöge. Die Klosterkirche des 1186 gegründeten Zisterzienserklosters gilt als das bedeutendste mittelalterliche Bauwerk Mecklenburg-Vorpommerns.

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Im Atelier von raum ART design in Bad Doberan praktiziert Jeannine Rafoth Malerei auf alten Segeltüchern. „Ich habe lange herumexperimentiert, bis diese Technik das Ergebnis war“, sagt die Innenarchitektin, die ihren gut bezahlten Job für ihr Hobby aufgegeben hat. Hierbei entstehen großformatig Darstellungen von Seglern und Segelbooten aus dem Regattasport und ursprünglichen Seenlandschaften. Gemalt wird mit Acrylfarbe. Die Aufträge kommen inzwischen bis aus Stuttgart, aber es gibt auch Kontakte nach Ägypten.

Rustikal geht es auf dem Fischereihof Detlefsen in Hütten zu. Bis heute werden die Jahrhunderte alten Fischteiche des Zisterzienserklosters Doberan befischt. „Seit mehr als 800 Mecklenburg-VorpommernJahren wird hier Karpfenzucht betrieben“, erläutert Leif Detlefsen. Ganz frisch werde der Fang in den Töpfen erfindungsreicher Köche gegart und im mehrfach vom „Feinschmecker“ prämiierten Restaurant serviert. Der Inhaber der etablierten Fischgaststätte, seit 1994 Familienbetrieb, legt Wert auf Frische und frische Kräuter aus dem Garten. Im mit Erlenholz befeuerten Räucherofen garen Saiblinge und Forellen eineinhalb bis zwei Stunden lang bei 60 bis 70 Grad. Diese Fische sollen an der Gräte geschmacklich am besten sein.

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Kühlungsborn, das größte Ostseebad Mecklenburgs, entstand 1938 durch die Vereinigung der Orte Fulgen, Brunshaupten und Arendsee. Ein Wendepunkt in der Geschichte fand nach dem Zweiten Weltkrieg statt. 1953 wurden während der „Aktion Rose" die Besitzer von Hotels und Pensionen sowie mittelständischer Betriebe enteignet, vertrieben und verurteilt. Nach der Wende gelang es den Stadtvätern, die historischen Ansichten der um 1900 entstandenen Villen zu restaurieren. Es ist seit Mitte der 1990er-Jahre wieder ein sehr beliebtes ganzjähriges Ziel für die Urlaubszeit. Die 3200 Meter lange Strandpromenade führt an der 1991 eingeweihten Seebäderbrücke vorbei. In der Nähe der Seebrücke steht einer der letzten erhaltenen DDR-Grenztürme, der die Geschichte der deutschen Teilung authentisch erleben lässt. Eine Besteigung ist möglich. 2004 ist der neue Sportboothafen mit 400 Liegeplätzen in Betrieb genommen worden.

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In der Villa Astoria in Kühlungsborn steht in Tillmann Hahn ein weiterer Sternekoch am Herd. „Für mich spielen bestes Fleisch aus der Region, Bio-Gemüse und Kräuter neben anderen handwerklichen Produkten und frischem Fisch die Hauptrolle“, betont der Küchenchef. Hier werden bodenständige Gerichte schnell und frisch, liebevoll und verfeinert zubereitet. Tillmann Hahn plädiert außerdem dafür, Gemüse nicht wie früher zu blanchieren, sondern roh zu essen. Das heutige Menü besteht aus Jakobsmuscheln als Vorspeise, Zander als Hauptgang sowie Kürbis-Confit und Schokokuchen als Dessert.

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Wer es lieber deftig mag, kommt im Bistro Edel und Scharf an der Strandpromenade in Kühlungsborn auf seine Kosten. Hardy Erdmann bietet Fastfood für Feinschmecker: Currywurst Classic und Currywurst de luxe am Spieß. Die Currywurst wird mit Zutaten aus der Region produziert. Die Soße wird selbst nach eigenem Rezept hergestellt, das allerdings ein Geheimnis bleibt.

Auch im Hinterland haben sich einige Künstler niedergelassen. Angelika und Jürgen Reich betreiben in Bartenshagen eine Keramikwerkstatt. „Wir waren ursprünglich Tierpfleger im Zoo Rostock und haben 1990 mit der Töpferei begonnen“, sagt Jürgen Reich. Anfang der 1980er-Jahre erwarb das Ehepaar den rund 200 Jahre alten denkmalgeschützten Altenteiler-Katen und baute ihn zehn Jahre lang um. In der Werkstatt entsteht salzglasiertes Steinzeug für den täglichen Gebrauch.

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Auf der Töpferscheibe gedreht, werden die mit floralen und Tiermotiven dekorierten Keramiken in einem holzbefeuerten Ofen bei 1280 Grad gebrannt. Ansonsten pflegen die Reichs liebevoll den Bauerngarten. In ihm gedeihen neben klassischem Gemüse wie Salat und Bohnen auch alte Sorten und Züchtungen, die für das Klima in Ostseenähe besonders geeignet sind. Das gesamte Anwesen ist übrigens preisgekrönt worden.

Im Dorf Retschow – acht Kilometer südlich von Bad Doberan gelegen – hat sich Lisa Kaufmann im Porzellanstudio Glashagen selbstständig gemacht. Die Designerin fertigt seit dem Sommer 2014 Porzellanunikate im künstlerischen Bereich der Studiokeramik. Sie gießt flüssige keramische Masse in eine Gipsform und dreht diese kontinuierlich, bis sich der Ton an der Innenwand gleichmäßig verteilt hat. Manche Teile werden glasiert, andere nicht.

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In der Glashütte nebenan stellen die Eltern Regina und Norbert Kaufmann, beide Glasbläser, ebenfalls Einzelstücke her. Schalen, Flaschen, Vasen und Trinkgläser, Gefäße erinnern in ihrer Einfachheit und Strenge an skandinavische Traditionen, aber auch an norddeutsche.

So lässt sich ein Aufenthalt an der Ostsee problemlos mit einem Besuch bei Köchen und Künstlern verbinden. Wer nach einem ausgiebigen Essen Lust auf frische Luft und Bewegung bekommen hat, der kann durch eine der vielen Jahrhunderte alten Alleen radeln, am Strand flanieren oder prachtvolle Villen in der für die Region typischen „Bäderarchitektur“ bewundern.

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Weitere Informationen:

Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern, Konrad-Zuse-Straße 2, 18057 Rostock, Tel. 0381/40 30 550, Fax 0381/40 30 555, www.auf-nach-mv.de

Verband Mecklenburgischer Ostseebäder, Konrad-Zuse-Straße 2, 18057 Rostock, Tel. 0381/80 89 260, www.ostseeferien.de

Anreise: Mit dem Auto über die A 19 und A 20. Mit der Bahn nach Rostock, von dort mit dem Regionalzug nach Bad Doberan und mit der Dampflok „Molli“ nach Kühlungsborn.

Unterkunft: Zum Beispiel Grand Hotel Heiligendamm, www.grandhotel-heiligendamm.de. Upstalsboom Hotelresidenz & SPA, Kühlungsborn, www.hotelresidenz-kuehlungsborn.de

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Restaurants: Gourmet Restaurant Friedrich Franz in Bad Doberan-Heiligendamm, Tel. 038203/740-0. Fischereihof Detlefsen in Hütten, Tel. 038203/12244. Tillmann Hahns Gasthaus in Kühlungsborn, Tel. 038293/410 210. Edel & Scharf in Kühlungsborn, Tel. 038293/490855. Restaurant Vielmeer in Kühlungsborn, Tel. 038293/41741.

Künstler: Porzellanstudio Glashagen in Retschow, Tel. 038203/65814. Glashütte Glashagen in Retschow, Tel. 038203/13088. Keramikwerkstatt Jürgen Reich in Bartenshagen, Tel. 038203/13953. Raum ART design in Bad Doberan, Tel. 038293/471405.

Aktivitäten: Radverleih Ostseebike in Kühlungsborn, Tel. 038293/430 655. Wassersport-Center Sailers Inn in Kühlungsborn, Tel. 038293/140 26.