New Brunswick
New Brunswick: Geschichten aus Hummerland
Tiefe Wälder prägen die kanadische Atlantikprovinz. Dort geht es nach Akadien, auf Bärensafari und manchmal auch auf unfreiwillige Elchpirsch
Von Gerd Krauskopf
Am frühen Morgen lacht der Himmel in strahlendem Blau über den schier endlosen, dichten Wäldern New Brunswicks. Oft sind sie so undurchdringlich dicht, dass sie ein Hindernis für die mächtigen Geweihe der Elche sind. Vielleicht deshalb steht dann auch ein solches Prachtexemplar plötzlich mitten auf der Straße. Ron, der Reiseleiter und Fahrer, bremst seinen Van gekonnt ab. Erschreckt nimmt das mächtige Tier reißaus und verschwindet hinter einem alten, unbewohnten Holzhaus, das in dieser Einsamkeit verrottet. Ron ist erleichtert. "Oft", sagt er, "sind Elche recht aggressiv, und mehr Menschen kommen durch sie ums Leben als durch Schwarzbären."
Das weite, dünn besiedelte Land im Osten Kanadas besitzt neben tiefen Wäldern aber auch hübsche kleine Fischerdörfer, die vom Hummerfang und den Touristen leben. Die Besucher kommen meist aus benachbarten US-Staaten und fallen durch ihre gigantischen Wohnmobile auf, die hinten noch einen PKW angehängt haben. In Shediac an der Shediac Bay, das sich Welthauptstadt der Hummer nennt, lebt Donald Clements. In dem kleinen Fischgeschäft von Denis Breau schmeißt Donald wie am Fließband stattliche Prachtexemplare von Hummer in ein riesiges Becken mit kochendem Wasser. Derweil präsentiert Denis Breau mächtig stolz seinen 105 Jahre alten Lobster. Jetzt warter er erst einmal auf einen Käufer für sein Prachtexemplar, das ihm 5000 Dollar einbringen soll.Serviert werden die Hummer im Restaurant dann etwas nüchtern in einer Plastikschale. So wie bei Steve Bezeau auf Miscou Island. Bekannt ist Miscou nicht nur für Hummer, sondern auch durch die Sängerin Sandra Le Couteur, die stimmgewaltig französische Chansons ihres einst unterdrückten Volkes der Akadier präsentiert. Die Nachfahren der französischen Einwanderer, die heute noch ungefähr ein Drittel der Bevölkerung von New Brunswick ausmachen, sind wirklich einen Besuch wert.
Dazu fahren wir an die Küste Le Pays de la Sagouine, wo eine Art Märchendorf der französischen Ureinwohner versteckt liegt. Die Siedler, die im 17. Jahrhundert aus Frankreich in die damalige französische Kolonie Akadien eingewandert waren, hatten nach der Eroberung durch die Engländer kein angenehmes Leben. Viele wurden von den Engländern deportiert. Einige flüchteten in die tiefen Wälder. Wenige kamen Jahrzehnte später wieder in ihr Akadien zurück. Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts kam es zu einer akadischen Renaissance, die darin gipfelte, dass New Brunswick heute der einzige kanadische Staat ist, der offiziell zweisprachig geführt wird. Inmitten von historischen Häusern erzählt Dorine - die kleine agile, ehemalige Lehrerin - in ihrer Tracht, dass sie sich aus Mädchentagen noch gut daran erinnern kann, dass man sie abschätzig anschnauzte, dass sie doch weiß - also englisch - zu sprechen hätte. "Wir wurden," sagt sie mit energischer Stimme, "wie Untermenschen behandelt."
Im lebendigen Museumsdorf in der Nähe von Caraquet an der Chaleur-Bucht wurden 40 historische Häuser aus dem ganzen Land zusammengetragen. Dort bekommen Besucher auf den Höfen und in den Werkstätten einen guten Eindruck vom früheren Leben und Arbeiten der Akadier. Da lässt man sich bei der Zubereitung der Speisen über dem Kaminfeuer über die Schulter schauen. Alte Handwerkstechniken wie ohrenbetäubendes Schmieden gehören genau so dazu wie das Mahlen von Mehl und andere, fast vergessene Fertigkeiten. Und alles wird im Detail erklärt. Gut erklären kann auch der erfahrene akadische "Bären-Mann" Richard Goguen die Geräusche des Waldes, in dem viele Schwarzbären beheimatet sind. Mit ihm sind wir tief im Wald unterwegs und beobachten von einem sicheren, acht Meter hohenHolzturm, wie nach und nach aus allen Ecken die prächtigen Tiere aus dem Wald heraus kommen, um sich von Richard füttern zu lassen. "1999", so flüstert er später ganz leise, "begegnete ich einem verwaisten weiblichen Bärenbaby. Ich zog es mit der Flasche groß und noch heute haben die Urenkel dieses sonst so gefährlichen Raubtieres Vertrauen zu mir." Was Mirelle Roy, eine junge Rangerin des Kouchibouguac Nationalparks nördlich von Richibucto, nicht gerade begrüßt. "Seit Richard die Bären füttert, haben sie sich merklich vermehrt."
Wieder zurück in Caraquet wird dort das jährliche Kulturfest der Akadier, das "Grand Tintamarre" ausgiebig gefeiert. Zu Tausenden strömen Besucher aus Nah und Fern herbei. Die Hauptstraße wird für einen prächtigen Umzug genutzt, bei dem sich Besucher und Akteure mit den Farben der Akadier - blau, weiß, rot - schmücken und mit allem Krach machen, was gerade zu bekommen ist. Begleitet wird das Spektakel mit abendlichen Konzerten verschiedener kanadischer Bands. Nach dem Fest legt sich wieder Stille über Akadien, ein Land mit vielen freundlichen Menschen, das geprägt ist von tiefen Wäldern, schönen Küsten, Lagunen und Salzwiesen.
Weitere Informationen:
Destination Canada, Travel Marketing Romberg TMR, Schwarzbachstrasse 32, D-40822 Mettmann, Tel. 02104/9524112, www.kanada-presse.de
Museumsdorf der französischen Ureinwohner: 57, rue Acadie, Bouctouche, (abseits Rte 134), E4S 2T7 Canada, geöffnet Ende Juni-August tgl. 10-17.30 Uhr, Eintritt 17 Dollar, www.sagouine.com
Historisches Akadiendorf: www.villagehistoriqueacadien.com
Bärensafari: 4120 Route 480,?Acadieville NB E4Y, Preise: 45 Dollar für Erwachsene, 15 Dollar für Kinder, eine Familie mit 2 Erwachsenen und 2 Kindern bezahlt 99 Dollar, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! , www.bearsafari.com
Das Festival der Akadier "Grand Tintamarre" findet immer Anfang August in Caraquet statt: www.festivalacadien.ca